Koalitionsstreit um Edathy-Affäre: Seehofer fordert eine Erklärung
Ein SPD-Politiker hat Probleme mit der Justiz, ein CSU-Minister stürzt über die Affäre. Für Horst Seehofer passt das nicht zusammen.
BAMBERG dpa | CSU-Chef Horst Seehofer will den Nachfolger des zurückgetretenen Landwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich am Montag nennen. „Am Wochenende werden die Gespräche in der engeren Parteispitze geführt und am Montag der Kanzlerin und der Öffentlichkeit mitgeteilt“, sagte Seehofer am Samstag bei einem kleinen CSU-Parteitag in Bamberg. In der CSU herrscht nach Friedrichs Sturz großer Ärger über die SPD. „Wir werden über die Art und Weise der Zusammenarbeit reden müssen“, sagte Seehofer. Am Dienstag ist ohnehin ein Spitzentreffen der Koalition in Berlin anberaumt.
Der Agrarminister hatte sein Amt am Vortag zurückgegeben, weil er SPD-Chef Sigmar Gabriel informiert hatte, dass der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy ins Visier der Justiz geraten ist. Deswegen ist Friedrich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, das Dienstgeheimnis gebrochen zu haben.
Viele CSU-Politiker sind nun ihrerseits schwer verärgert über die SPD, weil SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann den Vorgang überhaupt öffentlich machte. Denn aus Sicht der CSU hat Friedrich der SPD durch frühzeitige Information lediglich größeren Ärger erspart – wenn Edathy ins Kabinett aufgerückt wäre und dann als Regierungsmitglied hätte zurücktreten müssen. „Es war eine gut gemeinte politische Lösung“, sagte Hans Michelbach, der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion. „Da gibt es absoluten Aufklärungsbedarf.“
„Ich fordere die SPD auf, an diesem Wochenende ihr Verhalten, ihre Widersprüche aufzuklären“, sagte Seehofer. Die CSU müsse die „Geschwätzigkeit“ der SPD „schärfstens zurückweisen“. Seehofer kritisierte auch, dass aus der SPD Rücktrittsforderungen an Friedrich laut geworden waren: „Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn aus einer Koalition heraus der Rücktritt eines Koalitionspartners gefordert wird.“
In der CSU werden nun wiederum Rücktrittsforderungen an Oppermanns Adresse laut: „Er muss die Konsequenzen ziehen“, sagte der bayerische JU-Vorsitzende Hans Reichhart.
„Mangelnde Unterstützung war überall“
Der gestürzte Friedrich wies den Vorwurf zurück, er habe das Dienstgeheimnis verletzt: Die Informationen über Edathy seien politisch relevant gewesen, „nicht strafrechtlich relevant“. Wenn es strafrechtlich relevante Informationen gewesen wären, „hätte ich nichts gemacht“, betonte Friedrich. „Ich wusste, er ist auf einer Liste mit irgendwelchem unangenehmen Zeug“, sagte der gestürzte Agrarminister.
„Es waren Fotos, (...) aber keine Kinderpornografie.“ Mehr habe er nicht gewusst. Er habe Gabriel informieren müssen. „Meiner Ansicht nach gab es da keine andere Möglichkeit.“ Zur Begründung seines Rückzugs räumte Friedrich ein, dass er auch den Rückhalt der CDU verloren hatte: „Mangelnde Unterstützung war überall.“
Zum Ärger im Regierungsbündnis wollte Friedrich nichts sagen: „In der Koalition weiß ich nicht, wie die Stimmung ist.“ An SPD-Chef Gabriel zumindest hat Friedrich nichts auszusetzen. Dessen Darstellung des Hergangs sei korrekt: „Gabriel hat das sehr fair auf den Punkt gebracht.“ Die gut 200 Delegierten erhoben sich zu Friedrichs Begrüßung von ihren Plätzen, Seehofer zollte ihm Respekt: „Du hast die Solidarität der gesamten Partei.“ Friedrich soll auch seine Parteiämter behalten und CSU-Bezirksvorsitzender in Oberfranken bleiben, wie Seehofer sagte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül