Koalitionsstreit Rentenreform: Gabriel bietet Gespräche an
Die von der Koalition geplante Lebensleistungsrente steht auf der Kippe. Die SPD will einspringen, wo FDP und CSU sich weigern.

BERLIN dpa | Angesicht des neuen Koalitionsstreits über eine Lebensleistungsrente hat SPD-Chef Sigmar Gabriel Schwarz-Gelb Gespräche über einen Rentenkonsens angeboten. „Die Bundesregierung blamiert sich beim Thema Rente bis auf die Knochen. Das wäre nicht schlimm, wenn das Ganze nicht zu Lasten zukünftiger Rentner ginge“, sagte Gabriel der Bild (Freitag). „Die SPD ist bereit zu einem nationalen Rentenkonsens ohne die Blockierer von CSU und FDP. Denn Rentenpolitik muss über eine Legislaturperiode hinaus halten.“
Die von der Koalition geplante Lebensleistungsrente, bei der Mini-Renten geringfügig mit Steuermitteln aufgestockt werden sollen, steht auf der Kippe. Grund: Die CSU ist von der vor gut zwei Monaten im Koalitionsausschuss getroffenen Vereinbarung abgerückt, weil sie gegen die verabredete Art der Finanzierung ist.
Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) verteidigte den Schritt. „Altersarmut ist vorwiegend weiblich, Hauptursache ist die Kindererziehung. Deswegen hat für mich die Aufwertung von Kindererziehungszeiten schon immer Priorität“, sagte sie der Bild. „Nur so packen wir das Problem bei der Wurzel, anstatt pauschal mit der Gießkanne durch's Land zu ziehen. Es kann doch nicht sein, dass die Rente der kinderlosen, halbtags arbeitenden Arztgattin mit der Lebensleistungsrente genauso aufgewertet wird wie die der alleinerziehenden Mutter.“
CSU-Landesgruppenvize Max Straubinger sagte der Passauer Neuen Presse (Freitag): „Wir tragen keine neue Leistung mit, die Versicherungs- und Fürsorgeleistungssysteme miteinander vermischt.“ Für die Lebensleistungsrente gebe es keine Mehrheit.
Gegen Altersarmut
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will vermeiden, dass Menschen trotz 40-jähriger Erwerbsbiografie wegen zu geringer Einkommen im Alter zum Sozialamt gehen und Grundsicherung beantragen müssen. Der Koalitionsausschuss hatte beschlossen, der Zuschlag solle aus dem Steuertopf zu zahlen.
So sollten Mini-Renten um einen geringen Betrag oberhalb der Grundsicherung – etwa 10 bis 15 Euro – aufgestockt werden. Die Grundsicherung beläuft sich in Deutschland je nach Region zwischen 636 (Sachsen-Anhalt) und 781 Euro (Hamburg). Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft von der Universität Freiburg, nannte das Projekt in der Bild „komplett meschugge“. Es breche mit den Grundsätzen von Rentenversicherung und Sozialstaat. Daher sei das Vorgehen der CSU vernünftig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen