Koalitionsgespräche in Berlin: Streit bei Migration und Gesundheit
Kurz nach Beginn der Koalitionsgespräche hakt es. Hauptstreitpunkt ist die Flüchtlingspolitik. Bei anderen Themen gibt es hingegen Fortschritte.
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach am frühen Montagmorgen nach dem Treffen der 15 Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD von einem „sehr intensiven Gespräch“. Alle Seiten betonten trotz anhaltender Differenzen in Kernthemen ihre Bereitschaft zu Kompromissen. Es werde „intensiv gearbeitet und auch hart um Lösungen gerungen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), in einem mit allen Seiten abgestimmten Statement. Man habe sehr intensiv über Arbeitsmarktpolitik, Migrationspolitik, Gesundheitspolitik diskutiert.
Aus Parteikreisen hieß es, vor allem beim Thema Familiennachzug für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus sei man nicht weitergekommen. Die Arbeitsgruppe Migration sei beauftragt worden, im Laufe des Montags Lösungsmodelle zu erarbeiten. Die SPD will bei den Verhandlungen eine weitergehende Härtefallregelung für den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus erreichen.
In der Arbeitsgruppe Migration hatte es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen zu Beginn einen Schlagabtausch zwischen den Unterhändlern von SPD und CSU, Ralf Stegner und Andreas Scheuer, gegeben. Der CDU-Verhandlungsführer, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, sei um Schlichtung bemüht gewesen.
Bundestag entscheidet über Familiennachzug
In SPD-Verhandlungskreisen wurde diese Darstellung zurückgewiesen. Die SPD führe die Verhandlungen auf der Grundlage der Sondierungsergebnisse. „Aber Koalitionsverhandlungen sind Koalitionsverhandlungen und keine Sondierungen mehr. Den Jamaika-Stil mit Plaudereien aus Verhandlungen werden wir uns nicht gefallen lassen“, hieß es. An diesem Donnerstag will der Bundestag über eine Verlängerung der inzwischen zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit geringem Schutzstatus entscheiden.
Der CSU-Unterhändler Joachim Herrmann forderte Schulz auf, sich mehr an den Interessen des Landes als seiner Partei zu orientieren. „Es kann nicht sein, dass jetzt plötzlich die Union einseitig weitere Zugeständnisse machen soll“, sagte Bayerns Innenminister der Passauer Neuen Presse (Montag). Zugleich beharrte er bei der Flüchtlingsaufnahme auf der Zielmarke von nicht mehr als 220.000 Menschen.
Herrmann forderte die SPD dennoch auf, „einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt“. Dies könnte als Signal an die SPD verstanden werden, dass bei den Härtefallregelungen doch noch Spielraum ist. In den Sondierungsgesprächen hatten Union und SPD vereinbart, den Familiennachzug eng zu begrenzen: auf 1.000 Menschen pro Monat. Die SPD will eine weitergehende Härtefallregelung erreichen. CDU und CSU lehnen dies ab.
Union warnt SPD
Der Haushälter der Union, Eckhardt Rehberg (CDU), warnte die SPD davor, die in den Sondierungen vereinbarte 40-Prozent-Beitragsgrenze bei den Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer infrage zu stellen. Dies sei „Sozialpolitik mit Blick auf die Niedrigverdiener“, sagte er der Rheinischen Post (Montag). „Denn Niedrigverdiener haben mehr von stabilen Sozialbeiträgen als von Steuersenkungen.“
Die SPD-Forderung nach Anhebung der Arzthonorare für gesetzlich Krankenversicherte bedeute, dass die Krankenkassenbeiträge perspektivisch steigen müssten, sagte Rehberg weiter. Auch die SPD-Forderungen in der Rentenpolitik lösten einen Beitragsdruck nach oben aus.
An diesem Montag berät erstmals die Arbeitsgruppe Gesundheit. Sowohl CDU als auch SPD haben mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer wichtige Vertreter entsandt. Dreyer zeigte sich vor einer Spitzenrunde zuversichtlich, dass die Arbeitsgruppe zu guten Ergebnisse kommen werde. Man habe bereits über das Wochenende viele Vorabsprachen getroffen.
Bürgerversicherung durch die Hintertür
SPD-Forderungen nach einer vollständigen Angleichung der Arzthonorare für gesetzlich und privat Versicherte wies Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in der Bild am Sonntag zurück. Dies sei nichts anderes als die Bürgerversicherung durch die Hintertür. Ähnlich hatte sich auch Gröhe geäußert. CDU-Vize Julia Klöckner twitterte am frühen Montagmorgen, die erste Verhandlungsrunde zum Thema Landwirtschaft „war intensiv, konstruktiv und sehr zielgerichtet“.
Schulz sagte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“, die Mitglieder entschieden, ob die SPD in eine Koalition eintreten dürfe. „Und dann weiß man, wer in die Regierung gehen kann.“ Vor allem von der Parteilinken war er wiederholt aufgefordert worden, auf einen Ministerposten zu verzichten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme