Klimaziele weltweit: EU verliert Führungsrolle in der Klimapolitik an Peking
Pünktlich zur offiziellen UN-Deadline präsentiert Präsident Xi Jinping neue Emissionsziele. Europa verfehlte die Frist – auch wegen Deutschland.
Xi kündigte an, dass die Treibhausgasemissionen in China bis 2035 um 7 bis 10 Prozent gegenüber dem bisherigen Höchststand sinken werden. Nach Angaben aus Peking soll die Leistung aus Wind- und Solarenergie dann 3.600 Gigawatt erreichen – mehr als sechsmal so viel wie 2020. Zudem solle der Anteil nichtfossiler Brennstoffe bis 2035 auf über 30 Prozent steigen. Der grüne Wandel sei das Gebot der Stunde, sagte Xi. Die Staatengemeinschaft müsse auf dem richtigen Weg bleiben, auch wenn „einige Länder“ dagegenhandelten. Gemeint sind offenbar die USA. US-Präsident Donald Trump ist nicht nur schon zum zweiten Mal aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ausgetreten. Er hat den Kampf gegen den Klimawandel auch als „Schwindel“ verächtlich gemacht und eine Exportoffensive für fossile Energie made in America gestartet.
Auch die EU führt nicht mehr. Sie hält zwar noch an den Pariser Vereinbarungen fest – hat jedoch Mühe, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Schon das Klimaziel für 2040 wurde von der EU-Kommission verspätet vorgelegt, Frankreich und Polen hätten es am liebsten ganz abgesagt. Wegen der internen Streitigkeiten hat die EU nun sogar den offiziellen Termin für das UN-Ziel 2035 verpasst. Bei einem vorbereitenden Treffen der EU-Umweltminister Mitte September konnten sich die 27 Mitgliedsstaaten nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Am Ende behalf man sich mit einer Absichtserklärung: Demnach wollen die EU-Staaten ihre Emissionen bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen es dann 80 Prozent sein.
Trotz des wachsenden Widerstands auch aus Deutschland versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in New York, Europa werde beim Klimaschutz auch künftig ehrgeizige Ziele verfolgen. Ihren offiziellen Plan für 2035 werde die EU rechtzeitig vor Beginn der Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien im November einreichen, versprach die CDU-Politikerin.
„Insbesondere blicken wir auf die Europäische Union“
UN-Generalsekretär António Guterres forderte mehr Ehrgeiz. Die nun vorgelegten Pläne aller Staaten würden die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 nur um 2,6 Prozent senken – notwendig sind laut UN aber 43 Prozent. Nötig seien neue Pläne für 2035, die viel schneller „dramatische Emissionssenkungen“ absichern.
Die Allianz kleiner Inselstaaten, die vom steigenden Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht sind, warnte vor einem „Verrat an den Schwächsten“. Die UN-Botschafterin von Palau, Ilana Seid, sagte: „Die Welt beobachtet aufmerksam, wer die Initiative ergreift und die Führung übernimmt. Insbesondere blicken wir auf unsere Freunde in der Europäischen Union.“
Besorgt äußerte sich auch das Europaparlament. „Das waren sehr schlechte Tage für das Klima und für die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, sagte Peter Liese, Sprecher für Klimapolitik der konservativen EVP-Fraktion. „Es ist zwar gut, dass China endlich ein Reduktionsziel vorgelegt hat, aber es ist viel niedriger als erwartet, und leider ist die EU dafür mitverantwortlich.“
Eine Mitschuld von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht der grüne Europapolitiker Michael Bloss. Unter Merz’ Führung habe Deutschland „eine klimapolitische Abwärtsspirale“ in Gang gesetzt, sagte er. „Das chinesische Klimaziel fällt erschreckend schwach aus – auch weil Europa nichts vorzeigen kann.“ Merz sei „ein Elefant im Porzellanladen der internationalen Klimapolitik.“
Optimistischer äußerte sich die Umweltorganisation Germanwatch. China setze neue Maßstäbe, da es erstmals absolute Emissionsreduktionsziele habe und dabei alle Treibhausgase erfasse. „Chinas neue Klimaziele markieren das Ende der Wachstumspolitik bei den Emissionen“, sagte Germanwatch-Klimaexperte Petter Lydén. „Das ist ein historischer Wendepunkt bei einem so großen Emittenten, der Deutschland und die EU unter Handlungsdruck setzt.“
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