Klimastreik in Berlin: Der Druck bleibt hoch
Deutlich mehr Menschen als erwartet gehen in Berlin für Klimaschutz auf die Straße. Und es sind nicht mehr nur Schüler*innen – ein gutes Zeichen.

I m Vorfeld war viel spekuliert worden: Schafft es die Bewegung Fridays for Future noch einmal, mit ihrem Klimastreik ein starkes politisches Signal für die Energiewende zu setzen? Werden genügend Menschen zu den weltweiten Demonstrationen kommen, mitten in den sich überlappenden schweren Krisen, nach den für Protesten schwierigen Jahren der Coronapandemie?
Zumindest für Berlin lässt sich sagen: Ja. Mehrere zehntausend Menschen sind am Freitag für Klimaschutz und -gerechtigkeit, für eine nachhaltige Energie- und Verkehrspolitik und gegen die unerträgliche Blockadehaltung der FDP in der Ampelkoalition auf die Straße gegangen. Selbst in Zeiten der Angst vor den ökonomischen Auswirkungen der drastisch steigenden Energiepreise existiert bei vielen ein klimapolitisches Gewissen. Das ist eine gute Nachricht.
Denn man kann ja davon ausgehen, dass die Streikenden wissen: Klimaschutz, wie er aktuell nötig wäre, um die Erderwärmung auch nur auf zwei Grad zu begrenzen, und wie ihn etwa ein Volksbegehren in Berlin fordert, wird teuer, richtig teuer. Und er wird zahlreiche Einschränkungen mit sich bringen und den Alltag gründlich verändern.
Wer hier einwendet, das könne den protestierenden Schüler*innen egal sein, da sie im ihrem Alter die Kosten noch nicht tragen müssten, greift zu kurz. Die Auswirkungen würden auch sie spüren, und am Freitag waren längst nicht mehr nur Kinder und einige ihrer Eltern demonstrieren. Die Altersspanne war sehr, sehr breit, und Menschen um die 40 ohne Kinder stellten einen guten Teil des Protests. Der Klimastreik war nicht mehr überwiegend ein Schulstreik. Auch das ist eine gute Nachricht.
Rückenwind für radikale Einschnitte
Der erfolgreiche Protest am Freitag wird all jenen Rückenwind geben, die dafür plädieren, die aktuelle Energiekrise für einen raschen und grundsätzlichen Wandel der Energieerzeugung zu nutzen, nun da Gas nur noch auf teuren Umwegen verfügbar und Kohle keine Alternative mehr ist. Sie könnte auch dem Klimavolksbegehren in Berlin den dringend nötigen Schub geben, um die erforderlichen 170.000 Unterschriften für einen Volksentscheid zusammenzubekommen.
Gelingt das, führt der Druck von der Straße direkt zu einer Auseinandersetzung in Politik und Gesellschaft. Mehr kann man sich von einem Protest nicht wünschen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Trump, Putin und Europa
Dies ist unser Krieg
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden