piwik no script img

Klimaschutzpläne der Ampel-KoalitionMondlandung ist relativ

Finanzminister Lindner kündigt 200 Milliarden für den Klimaschutz an. Die Grünen jubeln, doch auf den zweiten Blick schrumpft das Paket zusammen.

Erde bitte kommen: Apollo 11 Mondmission Juli 1969 Foto: Nasa via reuters

Berlin taz | Für Omid Nouripour steht die Nachricht auf einer Stufe mit Apollo 11. „Ich bin sehr froh, dass sich die Bundesregierung auf 200 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds hat einigen können“, sagt der Grünen-Chef auf einer Pressekonferenz am Montagnachmittag. „Das ist eine Mondlandung.“

Eine steile Metapher – und ganz im Einklang mit den grünen Jubelstürmen auf Twitter. „Wow!“, heißt es dort bei Abgeordneten der Partei, „wichtiger Schritt“, „super Sache“ und „großes Ausrufezeichen!“. Seit Sonntagabend geht das so, seit Finanzminister Christian Lindner in der ARD von einer Einigung in den Haushaltsverhandlungen gesprochen hatte. Er gehe davon aus, dass die Bundesregierung für „die Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat“ bis 2026 rund 200 Milliarden Euro vorsehen werde, sagte der FDP-Chef. Klimaminister Robert Habeck bestätigte die Summe kurz darauf.

Im ersten Moment klang das nach dem großen Erfolg, den die Grünen dringend brauchten, nachdem Kanzler Olaf Scholz sie vor acht Tagen mit der Ankündigung überrascht hatte, die Militärausgaben massiv zu erhöhen. Zur Erinnerung: Zu den jährlichen rund 50 Milliarden Euro im regulären Verteidigungshaushalt soll ein Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden kommen. Zum Ausgleich, hieß es seitdem von den Grünen, sei auch an anderer Stelle mehr Geld nötig, unter anderem eben beim Klimaschutz.

Ob mit Lindners Ankündigung jetzt aber tatsächlich eine Zeitenwende in der Klimapolitik auf die in der Verteidigungspolitik folgt? Abschließend lässt sich das am Montag kaum beantworten, zumal die Koalition etliche Details zunächst unter Verschluss hält. Aus dem Finanzministerium heißt es, genaue Infos gebe es erst bei der Vorstellung des nächsten Haushaltsentwurfs, die nächste Woche ansteht.

Mehr altes Geld als neues

Fest steht aber schon mal: Beim Großteil der 200 Milliarden Euro handelt es sich nicht um neues Geld. Laut Grünen-Chef Nouripour gehen allein 110 Milliarden auf Pläne der alten Regierung zurück. Tatsächlich hatte die Große Koalition im letzten Jahr in ihrer Finanzplanung bis 2025 für den Klimafonds Einnahmen in dieser Größenordnung vorgesehen (pro Jahr zwischen 20,7 und 34,2 Milliarden). Sie speisen sich aus Rücklagen, Zuweisungen aus dem regulären Haushalt und Einnahmen aus dem Emissionshandel.

Hinzu kommen laut Nouripour die 60 Milliarden Euro aus dem Nachtragshaushalt 2021, den die Ampel im Januar verabschiedet hatte. Die Koalition verschob den Betrag damals aus nicht benötigten Corona-Krediten in den Klimafonds. Durch diesen Trick umging sie die Schuldenbremse. In Summe ist man damit bei 170 Milliarden.

Bleibt zu den 200 Milliarden also nur noch eine Differenz von 30 Milliarden Euro, die tatsächlich neu sind. Allerdings soll davon auch das Jahr 2026 abgedeckt werden, das in der Finanzplanung der alten Regierung noch gar nicht auftauchte – sie ging ja nur bis 2025. So gesehen wirkt der Aufwuchs der Klimaschutzmittel gleich weniger imposant als noch auf den ersten Blick.

Genauer Zweck noch unklar

Unklar ist darüber hinaus noch, wofür die Ampel das Geld im Detail ausgeben wird. Ein großer Teil wird auf die Abschaffung der EEG-Umlage entfallen. Als Aufschlag auf den Strompreis fließt die Umlage bisher in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, dieser Aufschlag soll in Zukunft aber durch Haushaltsmittel ersetzt werden. Christian Lindner sprach in einer Pressekonferenz am Montag von „bis zu 50 Milliarden Euro“, die allein diese Maßnahme ausmachen könne. Daneben erwähnte er die CO2-Reduktion in der Industrie, die Stärkung der Wasserstoffwirtschaft und den Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos.

Keine Rede ist bisher unter anderem von neuen Förderungen für die Wärmedämmung von Gebäuden. Entsprechend zwiespältig ist die Deutsche Umwelthilfe bei der Bewertung der Ankündigung. „Erst mal ist es gut, dass die Regierung auch für den Klimaschutz Geld in die Hand nimmt. Aber wenn es ausschließlich dafür verwendet wird, den Strompreis stabil zu halten, fehlt etwas“, sagt Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Nötig sind zum Beispiel auch zusätzliche Mittel für Gebäudesanierung und Energieeffizienz.“

Möglicherweise wären dafür aber doch mehr als die 200 Milliarden Euro nötig. Woher nehmen? Auf seiner Pressekonferenz am Nachmittag stellt Grünen-Chef Nouripour in einem Nebensatz noch mal die Schuldenbremse in Frage. Tatsächlich könnten neue Kredite den Handlungsspielraum erweitern. Mit FDP-Chef Lindner im Finanzministerium wird sich das aber weiterhin schwierig gestalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Richtig: "Ein großer Teil wird auf die Abschaffung der EEG-Umlage entfallen."

    Falsch:" Als Aufschlag auf den Strompreis fließt die Umlage bisher in den Ausbau der Erneuerbaren Energien,"

    korrigiert: "Die Umlage finanziert zu einem großen Teil Anlagen, die vor rund 10 Jahren installiert worden sind, als noch weitaus mehr Geld in erneuerbare Energien investiert wurde als heute - insbesondere während der damaligen Koalitionsbeteiligung der FDP. Allerdings bekam man damals noch nicht so viel Stromerzeugung, wie es heute mit demselben Geldeinsatz möglich wäre.

    Kurzum: Das Geld wäre für eine Ausbauinitiative wie vor 10 Jahren besser aufgehoben als für die Absenkung der EEG-Umlage. Für den Klimaschutz bewirkt letztere überhaupt nichts.

  • "Daneben erwähnte er [...] den Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos."

    Es handelt sich also mindestens teilweise um Subventionen für die Automobilindustrie. Zum Kotzen.

  • jährliche ausgaben für putins gas und kohle von 100 millarden könnten doch in wind sonnen und wasserstoffausbau gesteckt werden und bis herbst hätten wir schon einiges von dem russischen gas und kohle ersetzt

    • @prius:

      Für 100 Mrd. kann man die gesamte Welt-Jahresproduktion an Solaranlagen aufkaufen.

      Das Geld ist aber gar nicht "da und verwendbar", sondern wird ja eben für Energieimporte verwendet.

  • Angst vor Lindner und seiner Verbotspartei ?



    Wir haben eine feige Politiker-Generation, die uns einfach nicht auf die naheliegenden Zukunftsaufgaben vorbereiten will: Es gibt keinen Notfallplan, der im Fall der Fälle, den wir jetzt haben, notwendige Schritte einleitet: Das Tabuthema heißt: Energie sparen, insbesondere, weil wir als (wenig) Mitwirkende in dieser Gesellschaft uns haben (an)treiben lassen. Zu Allererst: Welche Industrieprodukte, auf die eine Zeitlang verzichtet werden kann, verbrauchen unnötig Strom oder Gas? Zweitens: Wir haben 2020 auf dem ersten Höhepunkt der Pandemie gelernt: Wenn wir weniger Autofahren (ja, das war möglich!) , sinkt der Benszinpreis wieder mit dem Nebeneffekt, dass wir ein paar Wochen stressfreier leben konnten. Drittens: Die Frage, ob jede/r den kompletten Wohnraum nutzen muss oder ob wir den Fernseher samt Sofa oder Sessel nicht ins kleinere Arbeitszimmer stellen können und damit Reserven frei machen für Mitmenschen, die nicht so viel Wohnraum beheizen können. In der allerhöchsten Not könnten Kommunen auch Wärmehallen anbieten, dann brauchen wir zu Hause auch abends vorm Schlafengehen nicht mehr lüften. Fernsehen gemeinsam mit den Nachbarn setzt kreative Ideen der Hilfsbereitschaft frei, die wir jetzt erleben, weil jede/r spürt, es ist auch unser Krieg, dem die tapferen Ukrainer dort ausgesetzt sind. Unsere geschmierten Politiker kennen leider keinen Krisenmodus, sie wollen nur bis zu den nächsten Wahlen überleben. Wann endlich wird die Zukunft unserer Kinder und Enkel einmal berücksichtigt bei unserer Spontan-Überraschungs-'Politik' ? Die Gewählten wollten unsere Einmischung nicht, das müssen wir DRINGEND ändern !

  • Die Abhängigkeit von Öl+Gas+Kohle+Uran ist unsere schwache Flanke und macht uns angreifbar, die marode Infrastruktur bremst die schnelle Verlegung der Armee aus...



    Es wäre völlig logisch den Umstieg auf "Freiheitsenergie", den Ausbau der Schiene und das Reparieren von Brücken aus den 2%-BIP-Militärausgaben zu bezahlen.



    Sind immerhin pro Jahr 70-80 Mrd EUR, fast die Hälfte mehr aus bisher, und auch mehr als Russland.

    Oder auch für Klimaschutz 2% des BIP aufwenden.

  • Das eigentliche Geschenk an die Grünen ist wohl das Timing, man hätte die Woche jetzt ja auch noch abwarten können, so bräuchte hier auch keiner im Nebel herumstochern. Der Griff nach den Sternen findet sich nun aber auch im "regulären" Verteidigungshaushalt, das ist ja hier noch der alte. Mehr als 2 % von nun an, das entspricht nahezu einer Verdoppelung des bisherigen, also ebenfalls fast 100 Mrd. Jedes Jahr! Bitte mal alle aufrechnen, was bis 2026 allein dafür draufgeht.

    • @Tanz in den Mai:

      Ich nehme an, Lindner will auch Teile der "sowieso vorgesehenen" 2% nicht aus dem allgemeinen Haushalt finanzieren, sondern über die Sonderschulden.