Klimaschutzgesetz verwässert: Mehr Beliebigkeit beim Klima
Das reformierte Klimaschutzgesetz sieht nach mehr aus, als es ist. Und es verschiebt Verantwortlichkeiten. Das ist ein Skandal.
D ie Bundesregierung genehmigt sich selbst mehr Beliebigkeit beim Klimaschutz. Dabei gibt es allein in Deutschland jeden Sommer Tausende Hitzetote, Flutwellen zerstören das Hab und Gut vieler Menschen, die Wälder erholen sich kaum noch zwischen den Dürreschocks. Klimaschützer*innen ziehen deshalb gegen die Reform des Klimaschutzgesetzes vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so.
In der Theorie ist die Welt noch in Ordnung: Das Klimaschutzgesetz sieht auch nach seiner Reform nicht vor, dass Deutschland mehr CO2 in die Atmosphäre entlässt als zuvor geplant. Aber dass einzelne Minister*innen nachsteuern müssen, wenn ihre Zuständigkeitsbereiche zu klimaschädlich sind, entfällt. Die Regierung will zusammen für die Klimaziele einstehen – aber dabei verschwimmen die Verantwortlichkeiten.
Und der Plan, die Klima-Arbeitsverweigerung etwa von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) durch Übererfüllung in anderen Bereichen auszugleichen, hat einen Denkfehler: Dass es beispielsweise bei der Industrie zuletzt noch CO2-Spielraum gab, hängt mit der Wirtschaftsflaute zusammen. Geht die Produktion von Glas, Stahl und Co wieder hoch, ist der positive Klimaeffekt dahin. In der Praxis will sich die Ampel also auf einer Flexibilität ausruhen, mit der sie nicht sicher rechnen kann. Letztlich müssen die Emissionen von Unternehmen und von uns allen auf null.
Die Verwässerung des Klimaschutzgesetzes ist der eine Skandal. Der zweite: dass sich die Regierung nach der neuen Version des Gesetzes richtet, bevor die überhaupt gilt. Zwar hat der Bundespräsident die Reform gerade unterschrieben, sodass ihr Inkrafttreten nun sicher, aber bis Montag eben noch nicht eingetreten ist. Bis dahin hätten Verkehrs- und Bauministerium nach bisheriger Rechtslage wegen gerissener CO2-Grenzwerte Sofortprogramme vorlegen müssen, haben das aber nicht getan. Nun könnte man sagen, dass Sofortprogramme nur aus Formgründen auch nichts gebracht hätten. Aber dass sich die Regierung an geltendes Recht hält – so viel Formalität darf schon sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen