Klimaschutz in Hamburg: Gewerkschaft will Gratis-Ticket
Ver.di fordert kostenlosen HVV für städtische Beschäftigte. Der Senat lehnt das ab, könnte sich aber ein günstiges Job-Ticket vorstellen.
Hamburg taz | Fast jede Woche ein neuer Vorschlag – klimafreundliche Mobilität ist das Thema dieses Wahlkampfs. Etwas unter ging in dieser Woche eine Pressemitteilung von Ver.di. Die Gewerkschaft fordert nicht weniger als ein „kostenloses HVV-Ticket für alle Beschäftigten der Freien und Hansestadt Hamburg“ – also für alle, vom Hausmeister bis zum Hochschullehrer.
Eine konsequente Umweltpolitik müsse „bei den eigenen Beschäftigten beginnen“, sagt die Vize-Landesvorsitzende Sieglinde Friess. Die Stadt habe rund 65.000 Beschäftigte. Nur ein Teil von diesen habe ein Großkunden-Abo, andere führen mit dem Auto zur Arbeit. Wollten Stadtangestellte Dienstfahrten mit dem HVV abrechnen, ginge dies nur über Einzeltickets. Dies verursache einen hohen Verwaltungsaufwand, der gespart werden könnte.
Politisch unterstütze die Gewerkschaft die Forderung nach einem 365-Euro-Jahres-Ticket für alle Bürger und kostenlosem HVV für viele Gruppen. Mit dem kostenlosen Jobticket für ihre Beschäftigen wäre die Stadt „Vorbild“.
Zudem müsse sich die Stadt Fachkräfte für die Zukunft sichern, was in einem Ballungsraum wie Hamburg nur durch Angebote möglich sei. Da sei, so Friess, ein kostenloses Jobticket eine „logische Vorraussetzung“.
München macht es vor
In Hessen gebe es das schon und auch in München. In Hamburg indes habe Ver.di schon im Frühsommer von der Stadt Tarifverhandlungen über ein kostenloses Jobticket gefordert und dies im November noch mal bekräftigt. „Einen Terminvorschlag ist uns der Senat immer noch schuldig“, sagt Friess. „Progressive Personalpolitik sieht anders aus.“
Aber wäre das gerecht? „Wir finden den Vorstoß richtig, weil er deutlich macht, dass der Nahverkehr für viele Menschen zu teuer ist“, sagte die Verkehrspolitikerin Heike Sudmann von der Linken. Ihre Partei fordert ein 365-Euro-Jahres-Ticket und ab 2025 ganz kostenfreien Nahverkehr. Möglich sei dies in Städten wie Wien durch Abgaben der Arbeitgeber. Auch würde Hamburg viele Folgekosten sparen, die der Pkw-Verkehr verursacht.
Laut HVV-Sprecher Rainer Vohl ist Kostenlosigkeit nicht sinnvoll, denn nur ein attraktiver Nahverkehr sei „in der Lage, die Autos von der Straße zu holen“. Taktdichte, Platzangebot, Pünktlichkeit und Sauberkeit hätten bei den Kunden „hohe Priorität“. Schon heute seien an jedem Werktag zweieinhalb Millionen Menschen mit dem HVV unterwegs. Im Jahr 2018 nahm der HVV durch Fahrgeld 861 Millionen Euro ein und deckte dadurch 72 Prozent der Kosten. Fielen Einnahmen durch kostenlose Tickets weg, müssten die Fahrpreise erhöht werden oder die staatlichen Zuschüsse.
Gefragt, was der Senat von der Ver.di-Forderung halte, erklärt auch Senatssprecher Marcel Schweitzer zunächst, das Ziel sei, ein gutes, schnelles Angebot zu schaffen und damit den Anteil von Bus und Bahn bis 2030 von 22 Prozent auf 30 Prozent zu erhöhen. Ein kostenfreies Ticket für alle Beschäftigten der Stadt würde den bestehenden Tarifvertrag unterlaufen.
Verdi fordert Angebot vor der Wahl
Für seine eigenen Beschäftigten, so Schweitzer, habe der Senat bereits vor geraumer Zeit signalisiert, „dass er sich eine Regelung vorstellen kann, die die Funktion eines Studierendentickets aufnimmt“. Eine solche Lösung wäre, wenn durch die Gewerkschaften eingebracht, im Rahmen der Tarifverhandlungen mit den Bundesländern aus Sicht der Stadt „verhandelbar“. Alle Beschäftigten hätten dann „ein Jobticket zu einem stark vergünstigten Preis“. Zur Orientierung: In Hamburg kostet das Semesterticket knapp 30 Euro.
Gefragt, was nun Ver.di davon halte, sagt Sieglinde Friess: „Wir können über vieles reden, aber dafür brauchen wir ein Angebot.“ Die Stadt solle dies jetzt klären, und „nicht erst nach der Wahl“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel