Klimaschutz in China: China wird keine Ökodiktatur
Klimaschützer hatten auf grüne Signale im neuen Fünfjahresplan gehofft. Vor dem Volkskongress in Peking gab es nur alte Versprechen.
In der Zusammenfassung des Wirtschaftsplans versprach Li, China werde den Übergang zu einem grünen Geschäftsmodell „durch einen deutlichen Schub für neue Energiequellen beschleunigen“ und gleichzeitig „die saubere und effiziente Nutzung der Kohle vorantreiben“. Der Anteil an nichtfossiler Energie, also erneuerbarer und Atomkraft, soll bis 2030 am gesamten Energieverbrauch auf 25 Prozent steigen. Zwischen 2020 und 2025 soll der CO2-Ausstoß pro produzierter Einheit um 18 Prozent und der Energieverbrauch dabei um 13,5 Prozent fallen – ganz ähnliche Effizienzziele wie schon aus dem vorigen Fünfjahresplan. Dabei soll die Wirtschaft 2021 um 6 Prozent wachsen.
Umweltorganisationen und KlimadiplomatInnen hatten dagegen auf ein starkes Signal aus Peking für mehr Ehrgeiz gehofft. Im letzten Jahr hatte Präsident Xi Jinping überraschend erklärt, China wolle bis 2060 CO2-neutral sein. Zusammen mit der Rückkehr der neuen US-Regierung zum Pariser Abkommen und dem Minus-55-Prozent-Ziel der EU bis 2030 sollte auch China dazu beitragen, den geplanten UN-Klimagipfel von Glasgow im November zu ehrgeizigeren Versprechen zu bringen.
Das Land hat der UNO noch keinen neuen Klimaplan (NDC) vorgelegt, der seine Strategie erklärt, will dies aber bald tun. Um sein Ziel für 2060 zu erreichen muss die Volksrepublik allerdings laut einer unabhängigen Studie praktisch sofort aufhören, neue Kohlekraftwerke zu bauen.
Enttäuschte Analyse von Klima-Aktivisten
„Was wir jetzt sehen, ist viel eher eine Fortsetzung des Trends als ein Einschwenken auf den Pfad zur Klimaneutralität“, sagte Lauri Myllyvirta vom Center for Research on Energy and Clean Air in Peking gegenüber der website climatehome. Auch die Thinktank-Website Climate Action Tracker meldete sich mit einer enttäuschten Analyse: Chinas Klimapläne waren schon im letzten Jahr als „höchst unzureichend“ eingestuft worden, die nächste Bewertung werde sich kaum ändern.
„Es gibt keinen signifikanten Wandel von Chinas Erzählung von dreckiger Kohle gegen saubere Energie: Der Plan sieht vor, beide Energieträger stark zu unterstützen.“ Wenn China sein Ziel erreiche, bis 2060 CO2-neutral zu werden, könne das 2100 etwa 0,2 bis 0,3 Grad Erwärmung verhindern, doch der Fünfjahresplan mache dazu keine weiteren Schritte, hieß es.
„Mit dem Blick aufs Klima ist der Plan unzureichend“, sagte Swithin Lui vom Thinktank New Climate Institute, „es gibt nur wenige Zeichen für eine konzertierte Abwendung von der Festlegung auf die Kohle“.
Bisher macht Kohle etwa 70 Prozent der chinesischen Energieproduktion aus. Die Erholung der Wirtschaft nach der Coronakrise hat nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur IEA dazu geführt, dass die Emissionen der Volksrepublik im Dezember 2020 um 7 Prozent über denen des Vorjahres lagen. Der Wiederaufschwung wurde durch massiven Ausbau der energieintensiven Energien befeuert, zeigen die Daten. „Es ist enttäuschend, dass China weiterhin so stark auf Kohle, Öl und Gas setzt“, sagte Bill Hare von Climate Analytics. „Die Welt ist darauf angewiesen, dass der größte Verschmutzer den Klimaschutz ernst nimmt. Aber bisher sehen wir nur wenig davon.“
Der Plan sendet ein unentschiedenes Signal
Intern ringt die chinesische Regierung offenbar um ihren Kurs zwischen Wirtschaftswachstum und Klimaschutz. Im Januar hatte das Umweltministerium ein Papier veröffentlicht, das Klima- und Umweltschutz zur zentralen Aufgabe macht und die Umsetzung der CO2-Minderungsziele anmahnt. Das Ministerium, das Beobachter gestärkt sehen, macht darin Vorschläge, den Provinzen zum ersten Mal nicht nur relative, sondern auch absolute Obergrenzen für Kohlendioxid zu setzen.
Das sei „ein großer Schritt vorwärts, von der Vision zum Arbeitsplan“, applaudiert das World Resources Institute in Washington – aber es „verändert für viele Provinzen und Industrien völlig die Regeln, und zwar gegen ihren Willen“.
Umweltgruppen hatten gehofft, es könnte eine Ankündigung geben, dass China seine Emissionen bereits ab 2025 nicht mehr wachsen lasse. Chinesische Wissenschaftler der Tsinghua-Universität hatten gefordert, das Land solle sich eine absolute Obergrenze von 10,5 Milliarden Tonnen CO2 setzen, etwa so viel wie es heute ausstößt.
„Der Plan sendet ein unentschiedenes Signal in Zeiten großer ökonomischer und geopolitischer Verunsicherung“, sagt Li Shuo von Greenpeace China. Man solle daran denken, dass China eine Tradition darin habe, wenig zu versprechen und dann die Erwartungen zu übertreffen, „das wird hoffentlich dagegen wirken, dass die Emissionen wieder stark steigen“. Allerdings müsse die Parteiführung den jüngsten Boom bei den stark verschmutzenden Sektoren Stahl, Zement und Aluminium und beim Bau neuer Kohlekraftwerke in den Griff bekommen. „Die Emissionen vor 2025 sinken zu lassen ist nicht nur möglich, sondern auch nötig. Kräftig zu bremsen hilft nicht nur dem Umbau der Volkswirtschaft, sondern auch dem internationalen Image des Landes.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid