Klimaprotest in Norwegen: Hungern fürs Klima
Vor dem Parlament in Oslo fastet der Aktivist Vebjørn Bjelland Berg aus Protest gegen die Klimapolitik seines Landes. Sein Cousin ist Klimaminister.
Am 8. September sind in Norwegen Wahlen, bis dahin will er weitermachen. Es sei denn, die Regierung gibt ihm vorher ein Versprechen. Bis zu diesem Tag hat sich Ministerpräsident Jonas Gahr Støre nicht blicken lassen. Ebenso wenig Klima- und Umweltminister Andreas Bjelland Eriksen. Immerhin wisse man nun, wie hart und kalt die Führungsriege der Arbeiterpartei sei, meint Vebjørn Bjelland Berg.
Der Klimaaktivist ist ein Cousin des Klimaministers, sie teilen den Nachnamen Bjelland. „Ich würde ihn mehr respektieren, wenn er sich trauen würde zu kommen und öffentlich mit mir über das Thema zu sprechen“, sagt er. Das Thema: die norwegische Öl- und Gasindustrie und ihr Beitrag zur Klimakrise. Die Botschaft: „Wir brauchen einen Ausstiegsplan.“
Das „Norwegen-Paradoxon“
Der 29-Jährige engagiert sich bei Extinction Rebellion und „Folk mot Fossilmakta“. Aus Protest faste er aber im eigenen Namen, betont er. 16,5 Kilo habe er inzwischen abgenommen. Begonnen hat er in seiner Heimatstadt Stavanger, sie steht wie keine andere für Norwegens Ölindustrie. Seit zwei Wochen fastet Vebjørn nun in Oslo. Zur Sicherheit hat er immer Gesellschaft von mindestens einer Person. Er trinkt Wasser und nimmt Salze und Vitamine zu sich, sonst nichts. Alle paar Tage sieht ein Arzt nach ihm. Der Gewichtsverlust habe sich zuletzt verlangsamt. „Gutes Zeichen“, meint er.
Norwegen gibt sich engagiert bei Umwelt- und Klimaschutz, etwa mit dem staatlich geförderten E-Autoboom und Ökostrom. Zugleich werden weiter Öl und Gas gefördert, Tiefseebergbau und andere umstrittene Grubenprojekte geplant. Der Begriff vom Norwegen-Paradoxon macht längst die Runde. „Totaler Quatsch“, meint Vebjørn.
Sein Land sei einfach nur gut darin, sich ein bestimmtes Image zu verschaffen. Er ist schmal im Gesicht, was auch sonst. Er liegt ganz still, nur Mund und Augen bewegen sich, wenn er redet und lächelt. „Ich bin sehr erschöpft, aber es geht mir gut“, sagt er. Er schlafe gut, höre viel Musik, meditiere. Um die Aktion noch vor der Wahl zu beenden, reiche ihm die Regierungszusage zu einem Bürgerrat. „Normale Leute“ sollten mitreden, mithilfe von Einschätzungen unabhängiger Experten. Er betont „unabhängig“, als Gegensatz zu industrienah. „Die meisten Menschen wissen nicht, wie ernst die Klimakrise ist.“
Die norwegische Politik hat variierende Vorstellungen zur Ölzukunft: Die sozialdemokratische Arbeiterpartei – aktuell führt sie allein eine Minderheitsregierung – will die Suche nach weiteren Vorkommen vorantreiben. Die liberale Venstre will sie stoppen, die Grünen ebenfalls, sie fordern einen Ausstiegsplan bis 2040. Die rechte Fortschrittspartei nennt Ausstiegspläne gefährliche Symbolpolitik.
Die meisten Parteien fokussieren sich erst mal darauf, dass die Öl- und Gasförderung selbst „klimaneutral“ werden soll. Stichworte sind Lagerung von CO2 und die Elektrifizierung der Ölplattformen. Klimafreundliche Herstellung von fossilen Energieträgern also, die dann unter anderem in Deutschland verfeuert werden.
Vebjørn Bjelland Berg will viel mehr als das. Er bereue seinen radikalen Körpereinsatz dafür nicht, auch nicht im strömenden Regen. „Nicht eine Sekunde“, sagt er. „Es fühlt sich unglaublich wertvoll an, das hier zu tun.“
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