Klimaprotest in Frankreich: Als „Ökoterroristen“ angeklagt
Fünf Personen mussten sich wegen der Teilnahme an einer Klimademo vor Gericht verantworten. Paris vergleicht sie mit der Letzten Generation.

Sie waren weder mit einem Molotowcocktail im Sack noch bei einer Schlägerei mit den Gendarmen erwischt worden, sondern im Verlauf einer Protestaktion am letzten Samstag im Oktober festgenommen worden. Es ist eine Form von „Gesinnungsdelikt“, meint in der Zeitung Libération die Anwältin Hanna Rajbenbach, die einige der Angeklagten verteidigt. Dieser Paragraf der Teilnahme an einer Demonstration, bei der es zu Gewalt kam, werde stets gezückt, wenn „materiell nichts vorliegt“, so Rajbenbach.
Die fünf Angeklagten leugneten denn auch nicht, zusammen mit mehreren tausend anderen in Sainte-Soline in der Region Deux-Sèvres gegen ein gigantisches Projekt von künstlichen Seendemonstriert zu haben. Beim Versuch, eines der Baugelände zu besetzen, wo ein riesiger Krater für 650.000 Kubikmeter Wasser entsteht, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Laut Behörden wurden mehr als 60 verletzte Beamte gezählt. Mehrere Demonstrierende wurden durch Granaten zum Teil schwer verletzt.
Die Demonstrierenden konnten trotz des massiven Aufgebots an Ordnungskräften und dem Einsatz von Hubschraubern und Panzerfahrzeugen bis an den Rand der Baustelle gelangen. Die Gegner*innen des Vorhabens haben weitere Aktionen gegen die „Privatisierung der bereits knappen Wasservorkommen“ angekündigt.
Vergleich mit den Aktionen der Letzten Generation
Diese Schmach durfte für den französischen Innenminister Gérald Darmanin nicht ohne rechtliche Konsequenzen bleiben. Er bezeichnet die Umweltaktivisten, die er für die Eskalation der Gewalt verantwortlich macht, als „Ökoterroristen“. Er wirft sie in denselben Topf wie die Klimaschützer*innen, die derzeit in mehreren Ländern in Museen Bilder mit Suppe oder Farbe verschmieren oder sich mit den Händen auf der Straße festkleben (Letzte Generation). Für den staatlichen Ordnungshüter in Paris wurde da klar eine rote Linie überschritten.
Laut dem Onlinemagazin Mediapart hat das französische Justizministerium in einem Rundschreiben die zuständigen Staatsanwälte zu besonderem Eifer bei der strafrechtlichen Verfolgung dieser Umweltaktivisten angehalten. Diese militanten Aktionen müssten „eine systematische und rasche Antwort“ seitens der Gerichte erhalten. Nach dem ersten Prozess in Niort sind bereits mehrere andere Gerichtstermine im Januar und März gegen weitere am 29. Oktober mehr oder weniger willkürlich herausgepickte und festgenommene Demonstrierende bekannt.
Der Staatsanwalt von Niort, Julien Wattebled, rechtfertigt die gerichtliche Strenge als „verhältnismäßig“, denn der Staat sei „bei jeder Bewegung mit mehr Vergehen und mit immer gefährlicheren Straftaten“ konfrontiert. Wurden deshalb 19 Personen, die am 2. Oktober an einer politischen „Grillparty“ mit insgesamt 50 Gegner*innen der Wasserreservoirs anwesend waren, zwecks Eröffnung von Strafverfahren vorgeladen?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart