Klimaprotest gegen Datteln IV: „Verantwortungslosigkeit in Zement“
Aktivist*innen haben in NRW gegen ein Kohlekraftwerk demonstriert, das bald ans Netz gehen soll. Luisa Neubauer von Fridays for Future übt Kritik.
DATTELN taz | Sie sind im Wasser: Aktivist*innen treiben in roten Trockenanzügen im Dortmund-Ems-Kanal. Direkt vor dem Kohlekraftwerk Datteln IV, das dieses Jahr ans Netz gehen soll. Um die Vier herum lenken weitere Aktivist*innen ihre Kanus im Kreis.
Es ist Mittwoch, der 20. Mai 20: Heute findet die Aktionärsversammlung von Uniper statt, dem Unternehmen, das Datteln IV betreibt. Neben Greenpeace sind unter anderem Fridays for Future, Extinction Rebellion und Anwohner*innen zum Kraftwerk gekommen, um für ihr Ziel zu kämpfen: Datteln IV, in dem Steinkohle aus Russland und Kolumbien verbrannt wird, soll nicht ans Netz gehen.
“Ich bin in Datteln aufgewachsen“, sagt Franziska Pennekamp. “Den Widerstand gegen das Kraftwerk habe ich von Anfang an mitbekommen.“ Als das Oberverwaltungsgericht Münster den Bau der Anlage 2009 stoppte, habe sie mitgefeiert, erzählt Pennekamp.
Das Gericht entschied unter anderem so, weil Europas größtes Monoblock-Steinkohlekraftwerk nicht am dafür vorgesehen Bauort errichtet wurde. Sondern mehrere Kilometer entfernt. Keine 500 Meter sind es bis zur nächsten Wohnsiedlung, keine fünf Kilometer zum nächsten FFH-Naturschutzgebiet.
Kohlekommission gegen Datteln IV
Die Kohlekommission hatte empfohlen, Datteln IV nicht ans Netz zu nehmen. In der Umsetzung des Kompromisses hatte die Bundesregierung aber entschieden, dem nicht zu folgen. Luisa Neubauer von Fridays for Future (FFF) ist vor Ort. Sie sagt, sie halte das für die falsche Entscheidung. “Noch nie war das Bewusstsein für Klimaschutz so groß. Und die Bundesregierung beantwortet diese einmaligen historischen Entwicklungen mit der Eröffnung eines weiteren Kohlekraftwerks. Datteln IV ist zementgewordene Verantwortungslosigkeit.“
Fürsprecher*innen des Kraftwerks, beispielsweise der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), sagen: Das Kraftwerk sei gut für das Klima, im Endeffekt. Weil dafür ältere Kraftwerke abgeschaltet würden, erhöhe sich der Ausstoß insgesamt nicht.
Doch Neubauer hält dagegen: Den Ausstoß stabil zu halten, sei keine Lösung. Er müsse sinken. “Wir müssen Kohlekraftwerke en masse vom Netz nehmen.“ Sie verweist auch auf die Deutsche Bahn, Hauptabnehmerin des Datteln-IV-Stroms wider Willen: Die Bahn sei gerichtlich damit gescheitert, aus den alten Verträgen zu kommen, die sie dazu verpflichten, den Strom zu kaufen.
Rechtslage nachträglich angepasst
Frau Pennekamp aus Datteln sagt, ihre Hoffnung seien trotzdem die Gerichte. “Wenn du im Garten illegal eine Hütte baust, bist du dafür verantwortlich, es abzureißen. Genauso ist das bei so einem Großbauprojekt.“
Nach dem Urteil des OVG Münster wurde die Rechtslage nachträglich angepasst: Der Bau wurde abgeschlossen, aktuell ist Datteln IV im Testbetrieb. Doch noch laufen mehrere Verfahren, in deren Verlauf Gerichte der Existenz des Kraftwerks ein Ende setzen könnten. Sie rechne damit, dass Uniper das Kraftwerk dann abreißen muss, sagt Pennekamp.
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