Klimakatastrophe in Brasilien: Flut trifft vor allem Arme
Bedürftige leiden besonders unter den Überschwemmungen. Auch die Klimapolitik des „grünen“ Präsidenten Lula steht auf dem Prüfstand.
Heftige Regenfälle und Überschwemmungen haben im Süden Brasiliens zu einer der größten Klimakatastrophen in der Geschichte des Landes geführt. Mehr als 160 Menschen starben, große Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Über 500.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, viele harren weiter in Notunterkünften aus.
Insgesamt sind 400 Gemeinden und Städte betroffen, große Teile der Millionenstadt Porto Alegre stehen immer noch unter Wasser. Die Behörden schätzen, dass es noch einige Wochen dauern wird, bis das Wasser zurückgeht. Und Meteorolog*innen befürchten weitere Regenfälle in den kommenden Tagen – die Angst vor einem weiteren Anstieg der Pegel ist groß.
Flut als Folge des Klimawandels
Besonders die ärmeren Bevölkerungsgruppen leiden unter den Folgen der Flut. „Die Auswirkungen der Klimakatastrophe treffen einige stärker als die anderen“, sagt Costa von der MTST. Viele wohnen in einfachen Hütten, die den Wassermassen nicht standhielten. Die Lebensbedingungen waren schon vor der Katastrophe extrem prekär.
Die linke Basisbewegung MTST ist in den Peripherien der großen Städte aktiv. Dort versucht sie, mit Besetzungen urbanen Leerstand für arme Familien nutzbar zu machen. Seit einigen Jahren baut sie aber auch Notfallstrukturen für Krisen aller Art aus. Bereits während der Pandemie versorgten sie mit ihren Solidaritätsküchen zehntausende Menschen. „Mittlerweile sind wir so aufgebaut, dass wir schnell auf Katastrophen reagieren können“, erklärt Costa.
Die Flut ist eine Folge des Klimawandels, darüber sind sich die meisten Expert*innen einig. Wetterphänomene wie El Niño, die durch die Erderwärmung verstärkt werden, treffen die Region immer härter. Während einige Regionen unter Dürreperioden ächzen, kommt es in anderen Gebieten zu Starkregen.
Die jüngste Katastrophe ist teilweise aber auch hausgemacht: Porto Alegre besitzt wegen der Lage an mehreren Flüssen zwar ein Hochwasserschutzsystem, aber viele Sperren und Schleusen versagten. Das System war schlecht gewartet und konnte den Wassermassen nicht standhalten. Expert*innen prognostizieren, dass es bis zu 15 Jahre dauern könnte, bis die betroffenen Gebiete wieder den vorherigen Lebensstandard erreichen. Und bald könnte das Trinkwasser knapp werden.
Lula verspricht neun Milliarden Euro
Die Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der die Region dreimal besuchte, hat umfangreiche Hilfsmaßnahmen angekündigt. Umgerechnet knapp neun Milliarden Euro sollen zur Verfügung gestellt werden, um den Wiederaufbau zu finanzieren und den Betroffenen zu helfen. Dazu gehört auch der Kauf von Häusern auf dem privaten Immobilienmarkt und die Nutzung von zwangsversteigerten Grundstücken für Flutopfer. Der sozialdemokratische Präsident erinnerte daran, dass es nötig sei, sich an das veränderte Klima anzupassen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Dennoch steht auch seine Klimapolitik auf dem Prüfstand: Einerseits lässt sich Lula – vor allem im Ausland – als grüner Präsident feiern. Und tatsächlich ist die Abholzung in Amazonien stark zurückgegangen, staatliche Naturschutzbehörden wurden wieder aufgerüstet.
Andererseits hält das Land an der Förderung von Erdöl fest, plant umstrittene Großprojekte in Amazonien und exportiert Rekordmengen an Soja und Rindfleisch ins Ausland. Ein weiteres Problem: Viele Landesregierungen ziehen bei der Umweltpolitik der Bundesregierung nicht mit. Gerade der Süden des Landes, wo derzeit das Wasser steht, ist eine Hochburg des rechtsradikalen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro. Deshalb dürfte gerade dort nicht mit allzu großen Sprüngen bei der Umwelt- und Klimapolitik zu rechnen sein.
Inmitten der Umweltkrise zeigt sich eine große Solidarität der Bevölkerung. In sozialen Medien werden Spenden gesammelt, Freiwillige aus dem ganzen Land sind nach Porto Alegre gereist, um zu helfen. Und auch in den Vorstädten tut sich einiges. „Durch ihre alltägliche Verelendung sind die Bewohner der Peripherien viel stärker aufeinander angewiesen als im Rest der Stadt“, sagt der MTST-Aktivist Costa. „In der Peripherie kennen sich die Menschen gut, organisieren sich schon lange in Bewegungen und kämpfen für ihre Rechte. Die Solidarität wird hier im Alltag gelebt.“
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