Klimage­rechtig­keit und Feminismus: One struggle, one fight!

Global kämpfen besonders Frauen an vorderster Front gegen die Klimakrise. Die Entscheidungen treffen aber andere.

Zwei Frauen vor Polizeikette

Indigene Frauen beim Protest gegen die Ölförderung im Yasuní-Nationalpark in Ecuador Foto: Juan Cevallos/afp, Warming Stripes; showyourstripes.info

Die Klimakrise geht uns alle an. Aber wir tragen nicht alle gleichermaßen zu ihr bei, wir sind nicht alle gleich von den Auswirkungen betroffen und wir sind auch nicht alle gleichberechtigt an den Entscheidungen über die Lösungen beteiligt.

Die Klimakrise ist tief verwurzelt in historisch miteinander verwobenen Unterdrückungssystemen: Patriarchat, Rassismus, Kapitalismus und Kolonialismus. Ohne Rücksicht auf Verluste und die katastrophalen Folgen für unser Klima beuten wir den Planeten aus.

Dahinter liegen dieselben Machtstrukturen, die zur Ausbeutung der Körper von Frauen und (un)bezahlter Care-Arbeit führen, zur Ausbeutung von Menschen und Rohstoffen des globalen Südens und zur Diskriminierung nicht-weißer Menschen.

Wir werden die Klimakrise nicht aufhalten, wenn wir die tiefliegenden Ursachen des Problems unangetastet lassen. Wir brauchen Lösungen, die die Erhitzung des Planeten aufhalten und gleichzeitig unterdrückerische Machtstrukturen in ihren Grundfesten erschüttern.

Den Planeten retten, das Patriarchat zerschlagen

Alle drei arbeiten wir seit Jahren zu Feminismus und Klimagerechtigkeit. Wir wollen den Planeten retten, das Patriarchat zerschlagen und eine Welt schaffen, in der alle Menschen frei und gleichberechtigt leben. Aber es ist verdammt schwierig, sich die Alternativen zum Business-as-usual vorzustellen. Denn diese Unterdrückungssysteme lassen uns nicht viel Zeit und Raum, außerhalb von ihnen zu denken und zu leben.

Während unserer Arbeit mit anderen Feministinnen und Klimaaktivistinnen auf der ganzen Welt haben wir viele erstaunliche Frauen kennengelernt, die dafür kämpfen, dass wir Schritt für Schritt einer feministischen und klimagerechten Zukunft näher kommen. Drei davon wollen wir hier vorstellen.

Wir beginnen an einem der Orte, an denen auch die Klimakrise beginnt. Antonella Calle engagiert sich im Yasunidos-Kollektiv in Ecuador – und zwar dort, wo Extraktivismus Existenzen vernichtet. Sie kämpft für den Schutz des Yasuní-Nationalparks – und gegen die Förderung von Erdöl in dem artenreichen Gebiet, das auch das Zuhause indigener Gemeinschaften ist.

Für Antonella geht Extraktivismus, also die massive Ausbeutung natürlicher Rohstoffe, Hand in Hand mit dem westlichen Patriarchat. Beides kam mit dem Kolonialismus in die Region. Durch den Bergbau wurden Urwälder zerstört, Flüsse und Böden verseucht.

Und mit dem Bergbau einher gehen Vergewaltigungen und Mord an der indigenen Bevölkerung. „Der Kampf gegen die Klimakrise muss immer einhergehen mit Feminismus“, sagt Antonella in der Youtube-Dokumentarserie „Makana: Women in the frontlines fighting the extractive industry and climate change“.

Sie kämpft nicht nur für den Schutz der Natur, des Lands und des Wassers, sondern auch für ihre (indigenen) Mitstreiterinnen. Für die Selbstbestimmung über ihre Körper und ihr Leben. Dagegen, dass man sie belästigt, verletzt oder sogar tötet. Die Kämpfe seien eins, und um sie zu führen, brauche es feministische Arbeitsweisen.

Ebenfalls für die Rechte der Frauen ihrer indigenen Gemeinschaft streitet Hindou Oumarou Ibrahim, die Koordinatorin der „Indigenous Women and Peoples’ Association of Chad“. Im Tschad sind Frauen wie überall auf der Welt stärker von der Klimakrise betroffen als Männer; nicht weil sie „schwächer“ wären, sonders aufgrund ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft und Familien. Sie haben schlechteren Zugang zu Bildung, Lohnarbeit, medizinischer Versorgung und gleichberechtigter Teilhabe in Entscheidungen.

Hindou ist eine von wenigen in ihrer Gemeinschaft, die die Chance hatte, zur Schule zu gehen. Ihre Mutter bestand darauf. Jetzt verhandelt sie auf den UN-Klimakonferenzen die Bildung einer globalen Plattform, um „die indigene Bevölkerung darin zu unterstützen, ihre Menschenrechte einzufordern und für Klimagerechtigkeit zu streiten“, so Hindou.

Die Klimakrise verschärft Konflikte, oft zulasten von Frauen

Ihre indigene Gemeinde, die Peuls M’Bororo, durchwandert mit ihren Kühen die Sahelzone. Doch mit der Abnahme von Weideflächen, dem Versiegen der Wasserstellen und stärker werdenden Hitzewellen wird ihre Lebensweise bedroht – und damit ihre Existenzgrundlage. Angefangen von den Kühen, die immer weniger Milch geben, bis zu gewaltsamen Konflikten zwischen den No­mad*innen und den sesshaften Landwirt*innen.

„Wenn das Essen nicht für alle ausreicht, sind es Frauen, die als Erstes verzichten, damit die Kinder satt werden“, erzählt Hindou. Mit der Bewahrung und Vermittlung von indigenem Wissen, welche Pflanzen beispielsweise gegen Wetterextreme am resistent sind, versucht sie Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen.

Dies werde am Rande der Sahelzone aber nicht helfen, wenn die Klimakrise jetzt nicht aufgehalten wird. „Für meine Gemeinschaft bedeuten bereits 1,5 Grad globale Erhitzung eine existenzielle Bedrohung.“

Für Hindou ist die Forderung zentral, dass alle Staaten ihre Klimaschutzzusagen von Paris einhalten. „Sie müssen so schnell wie möglich auf,zero emissions' kommen“ – also ganz ohne die Emission von Treibhausgasen auskommen. Von Argumenten, dies sei schwer oder nicht möglich, hält sie wenig. „Wissenschaftliche Lösungen sind vorhanden. Nur der politische Wille, das auch umzusetzen, fehlt.“

Frauen brauchen Platz an den Verhandlungstischen

Eine Ursache, warum zu wenig geschieht: Die Perspektiven indigener Frauen werden nicht berücksichtigt und sie dürfen erst recht nicht an den entscheidenden Verhandlungstischen Platz nehmen. Ndivile Mo­koena arbeitet als Projektkoordinatorin für das internationale Netzwerk „GenderCC – Women for Climate Justice“ daran, dass sich das ändert.

„Frauen werden nicht involviert“, sagt sie. „Entscheidungen werden für sie getroffen. Nicht mit ihnen.“ Sie fordert ein, dass Frauen gleichberechtigt beteiligt sind – auf allen politischen Ebenen. Und dass sie die Entscheidungs­strukturen selbst verändern müssen.

Ndivile arbeitet in Südafrika. Dort begleitet sie Programme, die Frauen helfen, ihre Stimmen für Klimagerechtigkeit und Nahrungssicherheit zu erheben. In vielen Regionen ist die Ernährung der Familien abhängig von der Subsistenzlandwirtschaft der Frauen. Die extremer werdenden Dürren treffen sie hart.

Ndivile will mit ihren Projekten Bäuerinnen über die Auswirkungen der Klimakrise aufklären und ihnen mit Permakultur und nachhaltigen Anbaumethoden helfen, sich anzupassen. „Die Frauen wissen am besten Bescheid über ihr Leben“, sagt Ndivile. „Sie kennen ihre Bedürfnisse und nutzen auch ihr traditionelles Wissen.“

Außerdem unterstützt Ndivile den Aufbau von Gemeinschaftsgärten. „Als wir mit unserer Arbeit begannen, hatten wir sofort Probleme mit patriarchalen Verhalten“, berichtet sie. Männer hätten versucht, die Kontrolle über die Projekte an sich zu reißen, die eigentlich zur Förderung von Frauen gedacht waren. „Sie meinten, den Frauen beispielsweise sagen zu können, sie seien nicht fähig zu graben.“

Wir brauchen Gemeinschaften, in denen wir Kraft schöpfen und wachsen können, mit denen wir Alternativen erträumen und ausprobieren können

Die Lebensrealitäten von Hindou, Ndivile und Antonella zeigen, dass der Kampf gegen die Klimakrise eng verwoben ist mit den anderen Kämpfen gegen Unrecht. Ihre Erfahrungen machen deutlich, wie wichtig gleichberechtigte Partizipation an den Entscheidungen über die Lösung der Klimakrise ist: „Nothing about us with­out us!“ Es ist entscheidend, diejenigen in unseren Bewegungen zu unterstützen und zu ermutigen, deren Stimmen noch immer übertönt werden.

Wir brauchen endlich eine kritische Auseinandersetzung mit der europäischen Kolonialgeschichte, die rassistische, patriarchalische, kapitalistische Strukturen in die ganze Welt exportiert hat. Wir müssen diejenigen Konzerne in die Verantwortung nehmen, die Leben und Lebensgrundlagen von Menschen zerstören: die fossile Industrie und die Menschen in politischer Verantwortung, die die Interessen dieser Konzerne über das Leben von Menschen stellen.

Und Hindou, Ndivile und Antonella erinnern uns daran, dass wir es alleine nicht schaffen können. Wollen wir es mit all diesen mächtigen Unterdrückungssystemen aufnehmen, brauchen wir Gemeinschaften, in denen wir Kraft schöpfen und wachsen können, mit denen wir Alternativen erträumen und ausprobieren können. Also schließt euch Bewegungen an, die global für Gerechtigkeit und eine Welt ohne Klimakrise kämpfen!

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Klima-Aktivist*innen übernehmen die taz: Am 25. September erscheint eine taz. die klimazeitung – geschrieben und konzipiert von Aktivist*innen. Sie schreiben, was die Klimakrise mit Rassismus gemeinsam hat und entwickeln konkrete Utopien. Alle Texte dazu finden Sie online in unserem Schwerpunkt Klimagerechtigkeit.

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