Klimabewegung in Berlin: Mehr Druck fürs Klima

Der Klimastreik ist Auftakt für die große Mobilisierung zum Volksentscheid Klimaneutral 2030 Ende März. Die Abstimmung bringt die Bewegung zusammen.

Zahlreiche Menschen ziehen beim Klimastreik mit Plakate und Schildern mit Forderungen an die Politik durch die Innenstadt. Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future hat für diesen Freitag zu einem weltweiten Klimastreik aufgerufen.

Getan hat sich seit dem letzten Klimastreik im September 2022 leider immer noch nix Foto: dpa

BERLIN taz | Egal wie die Koalitionsverhandlungen in den nächsten Wochen ausgehen werden, eines steht schon jetzt fest: Ein radikaler Kurswechsel in Sachen Klimaschutz ist auch vom neuen Senat nicht zu erwarten. Nachdem die Berliner Klimabewegung im Wiederholungswahlkampf kaum präsent war, ist der globale Klimastreik am Freitag ein Startschuss, um den politischen Druck auf den neuen Senat deutlich zu erhöhen. Die Ak­teu­r:in­nen der Bewegung planen Kooperationen mit Gewerkschaften, Massendemonstrationen und Volksentscheide.

„Wir setzen Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda“, sagt Fridays-for-Future Sprecher Luis von Radow gegenüber der taz. Auch beim mittlerweile 12. Klimastreik setzt die Gruppe auf das altbewährte Mittel der Großdemonstration. Strategisch weiterentwickelt hat sich das Bündnis auf der Organisationsebene: Schon seit 2020 sucht die Fridays-for-Future-Bewegung verstärkt die Nähe zu den Gewerkschaften. Klimagerechtigkeit aus der eigenen Blase bringen und mit anderen sozialen Kämpfen verbinden ist das Ziel. Tatsächlich wird sich Verdi am Freitag am Klimastreik beteiligen – zum ersten Mal ist damit eine der großen Gewerkschaften offiziell dabei. Unter dem Motto #WirfahrenZusammen fordern die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen mit den Beschäftigten der BVG bessere Arbeitsbedingungen und einen schnelleren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Die Kritik, die Klimastreiks hätten als zunehmend ritualisierte Massenveranstaltungen kaum noch politische Wirksamkeit, kann von Radow nicht teilen. Es ginge vor allem um gesellschaftliche Mehrheiten und nicht um Schockwirkung. Dafür seien Demos, bei denen „eine Oma neben einem kleinen Kind stehen kann“, ein wichtiger Bestandteil, sagt von Radow.

Der Klimastreik am Freitag dient auch als Auftakt für die Mobilisierung zum Volksentscheid Berlin Klimaneutral 2030, dessen Abstimmung schon in wenigen Wochen am 26. März stattfindet. „Der Klimastreik wird im Zeichen des Volksentscheids stehen“, sagt Stefan Zimmer, Pressesprecher der Kampagne, gegenüber der taz. Fridays for Future sei schon lange dabei. Auf der Demo wird es sowohl einen eigen Redebeitrag von Klimaneutral 2030 als auch regelmäßige Durchsagen geben, die zur Teilnahme an der Abstimmung aufrufen, sagt Zimmer.

Zusammen für den Volksentscheid

Nach der umstrittenen Entscheidung im Dezember, die Abstimmung nicht zusammen mit der Wiederwahl, sondern an einem separaten Termin mehr als einen Monat später stattfinden zu lassen, dürfte die größte Herausforderung für den Volksentscheid sein, genügend Wäh­le­r:in­nen zum Urnengang zu mobilisieren. Ein Volksentscheid ist nur dann gültig, wenn mindestens ein Viertel aller Stimmberechtigten mit Ja gestimmt haben – das entspricht in Berlin insgesamt 613.000 Stimmen.

Dazu kommt, dass viele Aktive des Volksentscheids nahezu ausgebrannt sind – nach der aufreibenden Schlussphase im November und den Versuchen, gegen die Entscheidung des Senats vorzugehen. Die Kampagne hofft daher auf Unterstützung von anderen Ak­teu­r:in­nen der Klima- und Umweltbewegung. „Sehr viele Klimagruppen haben den Volksentscheid als wichtigstes Klimathema in Berlin erkannt“, erklärt Zimmer. Viele Bünd­nis­part­ne­r:in­nen würden sich auch unabhängig von der Kampagne für den Volksentscheid engagieren. „Wir sind immer sehr überrascht, wenn in Aktionen für uns geworben wird“, sagt Zimmer.

Mit dabei sind auch traditionsreiche Umweltverbände wie der BUND Berlin. Lange Zeit habe sich der Verband mit einer Unterstützung des Volksentscheids schwergetan, weil man Zweifel an der technischen Umsetzbarkeit des Gesetzes hatte, sagt Matthias Krümmel, Referent für Klimaschutzpolitik beim BUND Berlin. Doch mittlerweile stellt sich auch der BUND hinter den Volksentscheid und will bei der Mobilisierung helfen.

„In Sachen Klimaschutz fehlt in Berlin die gesellschaftliche Dynamik“, erklärt Krümmel die Gründe für das Umdenken. Keine der politischen Instanzen habe es bisher geschafft, die Sofortprogramme umzusetzen, die angesichts der Klimakrise notwendig wären. Wo keine Dynamik sei, müsse die Bewegung welche durch politischen Druck erzeugen.

Endgegner A100

Krümmel hofft, dass die Mobilisierung für den Volksentscheid die unterschiedlichen Gruppen der Berliner Klimabewegung zusammenbringt. „Wir müssen Blasen aufbrechen und stabile Koalitionen bilden“, insbesondere müsse man auch Akteure außerhalb der Bewegung erreichen, wie Wohlfahrtsverbände, Kirchen oder Handwerkskammern.

An gemeinsam zu bewältigenden Herausforderungen wird es der Klima­bewegung auch nach einem gewonnenen Volksentscheid nicht mangeln. Das größte Projekt dürfte wohl der Weiterbau der Stadtautobahn A100 sein, der mit einer Großen Koalition wieder deutlich wahrscheinlicher wird. Seit der Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums im März vergangenen Jahres, die umstrittene Autobahn weiterbauen zu wollen, mobilisiert die Klima- und Mieterbewegung wieder verstärkt gegen das Projekt. Erst den Volksentscheid gewinnen, dann die Autobahn verhindern – Erfolge, die sowohl das Klima als auch die Bewegung dringend bräuchte.

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