Protest von Fridays for Future und Verdi: Klimastreik ist Warnstreik

Gemeinsame Gegner und Interessen: „Fridays“ und Verdi protestieren für die Verkehrswende. Die Bewegung sucht nach Verbündeten jenseits der Grünen.

Protestierende mit Schildern

Geht doch: FFF protestiert für die Verkehrswende in Berlin im Februar Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Wer am Freitag in Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen oder Rheinland-Pfalz an den zentralen Veranstaltungen zum Klimastreik teilnehmen will, der muss dafür die Bahn, das Fahrrad oder das Auto nehmen. Denn gleichzeitig mit dem „Globalen Klimastreik“ von Fridays for Future (FFF) an 200 Orten bundesweit legt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi an diesem Tag 24 Stunden lang den öffentlichen Nahverkehr in diesen sechs Ländern lahm. Der Grund: Warnstreik im Tarifstreit mit den öffentlichen Arbeitgebern.

Kein dummer Zufall, sondern Strategie: Unter dem Motto „#Wirfahrenzusammen“ fordern FFF und Verdi gemeinsam eine sozial gerechte und nachhaltige Verkehrspolitik, also die Verkehrswende: Bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV, mehr Personal, bezahlbare Tickets, Ausbau der Streckennetze und höhere Taktung – aber alles zu höheren Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Die bisherige Verkehrspolitik der Ampel werde „absehbar im Desaster enden“, kritisiert Lou Töllner von FFF Berlin, dabei müssten für die Klimaziele „die Emissionen im Verkehr 14-mal so schnell sinken wie bisher“. Die Koalition debattiere aber über neue Autobahnen und fälle damit falsche „Entscheidungen für die nächsten Jahrzehnte.“

Dabei wäre der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein „grundlegender Schritt zur klima- und sozialgerechten Mobilität“, schrei­ben FFF. Da setzt auch Christine Behls an, Vize-Chefin von Verdi: Das Angebot der Arbeitnehmer von fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt sei „ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“.

Das Geld für neue Autobahnen solle in „emissionsarme Mobilität“ umgelenkt werden. Dort werde es dringend gebraucht: In den letzten 20 Jahren seien ein Fünftel der Jobs im ÖPNV abgebaut worden, bis 2030 würden hier bundesweit 110.000 ­Beschäftigte fehlen – und dann wolle die Politik noch das ÖPNV-Angebot ausbauen. Das aber gehe nur, wenn die Jobs attraktiver und besser bezahlt würden.

Mehr Wumms für die Forderungen

Verdi und FFF zusammen auf der Straße, das gab es bereits in den vergangenen Jahren. Aber Klimastreik als Warnstreik, das ist neu. Einerseits passt es gerade gut im Arbeitskampf. Andererseits suchen FFF nach neuen Bündnispartnern und mehr Wumms für ihre Forderungen. Denn auch die Sympathisanten der immer noch jungen Klimabewegung sind skeptisch, was ihre Zukunft nach Corona und im Krieg angeht: „Es tut mir leid, das zu sagen, aber die Zeit der Fridays scheint vorbei zu sein“, sagt Lars Grotewold, Klimaexperte bei der Mercator-Stiftung, die viel Geld in die Unterstützung von Zivilgesellschaft und Klimabewegung steckt. „Sie sind keine breite, mobilisierende Kraft mehr.“

Auch Brigitte Knopf vom Klimathinktank MCC meint, die Bewegung brauche nach all den Erfolgen wohl eine Neuausrichtung: Vielleicht eine positive Erzählung, mehr gesellschaftliche Verbündete oder den Fokus „auf konkrete Sektoren wie den Verkehr.“ Genau das tun FFF jetzt. Kathrin Henneberger, Klimaaktivistin und grüne Abgeordnete im Bundestag, sagt, die „Fridays haben sich nicht überlebt. Sie sind wichtiger denn je.“ Sie sehe als Mitglied einer Regierungskoalition, „wie wenig Klimaschutz sich in der Ampel umsetzen“ lasse. „Wir Grüne in der Regierung brauchen Millionendemos für Klimaschutz auf der Straße.“

FFF-Frontfrau Luisa Neubauer sieht eine neue Qualität darin, „dass die Klimabewegung nun die soziale Frage lebensnah und konkret mitdenkt“. Auch werde jetzt klarer, dass es nach „viel rhetorischem Zuspruch zu unseren Forderungen“ nun öfter bei der Umsetzung ernst werde, „und dann knallt es manchmal.“ Bisher mache auch die Ampel so weiter wie bisher und „traut sich nicht, Schlussstriche zu ziehen, wo es nötig ist – etwa beim Autobahnausbau.“

Die Bewegung und ihr Klimaminister fremdeln: Die Deutsche Umwelthilfe hat Robert Habeck eine gemischte Bilanz seines ersten Amtsjahres bescheinigt: Gut beim Ausbau von Solarenergie und Übertragungsnetzen, schlecht bei Effizenz, Planung und Offshore-Wind. Der Grüne will in diesem Jahr bessere Bedingungen für Planung und Betrieb von Wind und Solar durchsetzen, Hilfen beim grünen Umbau der Industrie („Contracts for Difference“) und eine Strategie für die CO2-Speicherung vorlegen.

Das Thema Verkehr könnte Grüne und Bewegung nun wieder enger zusammenbringen. Denn da ist der gemeinsame Gegner das FDP-geführte Verkehrsministerium von Volker Wissing. Überhaupt warten die großen Klima-Kämpfe mit den Liberalen: Die bremst beim Effizienzgesetz und dem Verbrenner-Aus in der EU und will dem Klimaschutzgesetz die Zähne ziehen. Und dann fehlt eben auch ernsthafter Klimaschutz im Verkehr – trotz aller Warn- und Klimastreiks.

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