Klimaaktivistin in Vietnam in Haft: Mit Steuergesetz gegen Kritikerin
In Vietnam ist erneut eine führende Umweltexpertin zu mehrjähriger Haft verurteilt worden. Ihr wird vorgeworfen, Steuern hinterzogen zu haben.
Die international mehrfach preisgekrönte Frau war 1997 als erste Vietnamesin in der Antarktis gewesen, was sie landesweit bekannt gemacht hat. Sie hatte vor Gericht zugegeben, Einnahmen ihrer Organisation nicht vollständig versteuert zu haben. Vietnams Steuergesetze für NGOs sind sehr vage formuliert und lassen die Bürger oft im Unklaren. Hongs Anwalt bezeichnete das Strafmaß als zu hoch.
Zudem ist Hong mindestens die fünfte unter dem Vorwand der Steuerhinterziehung inhaftierte vietnamesische Umweltaktivistin. In diesem Monat wurde mit Ngo Thi To Nhien sogar eine renommierte Umweltforscherin wegen angeblicher Steuerhinterziehung festgenommen.
Nhien war Direktorin der vietnamesischen Initiative für die Energiewende (Viet), dem ersten Thinktank in Vietnam, der auf dem Gebiet der Energiewende forscht und sich dem Umbau von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien verpflichtet fühlt.
Kurze Entspannung zum Biden-Besuch
Die Absolventin der Universität Flensburg berät seit Jahren Energieprojekte, die von der Weltbank, der Uno, der EU und von verschiedenen vietnamesischen Ministerien finanziert werden. Sie war auch für das Goethe-Institut als Expertin tätig.
Nhiens Festnahme und Hongs Verurteilung erfolgten nur wenige Tage nach dem Vietnam-Besuch von US-Präsident Joe Biden. Im Vorfeld des Besuches hatte Hanoi als Geste des guten Willens zwei inhaftierte Bürgerrechtler vorzeitig aus der Haft entlassen.
Neben dem Religionsrechtler Nguyen Bac Truyen, der mit seiner Frau nach Deutschland ausreisen durfte, wurde auch dem Umweltaktivisten Mai Phan Loi, Journalist und Direktor einer gemeinnützigen Organisation für Umweltbildung, erlaubt, in die USA auszureisen.
Umweltfragen sind in Vietnam sensibel. Durch die geografische Lage ist das Land vom Klimawandel besonders betroffen. Das führte in den letzten Jahren in der Bevölkerung zu einer Sensibilisierung für Umweltthemen und zu Beschwerden über Firmen, die Umweltsünden begehen.
Proteste entluden sich beispielsweise 2016 an einer Fabrik, deren Abwässer ein massives Fischsterben an der zentralvietnamesischen Küste auslösten. Die Regierung reagierte darauf mit Festnamen von Protestführern.
Regierung in Hanoi mag Zivilgesellschaft nicht beteiligen
Internationale Abkommen wie das Freihandelsabkommen mit der EU verpflichten das südostasiatische Land zu Klimaanpassungen wie zu einer Beteiligung der Zivilgesellschaft daran. Doch alle vier unabhängigen vietnamesischen ExpertInnen, die laut Abkommen an der Umsetzung beteiligt werden sollten, wurden inhaftiert.
Vietnams repressive Praktiken finden zu einer Zeit statt, in der die EU, Japan und die USA die Regierung Vietnams mit 15,5 Milliarden US-Dollar bei der Energiewende unterstützen. Diese Abkommen sehen aber eine Beteiligung von Zivilgesellschaft und Medien vor. Doch sind aus der Zivilgesellschaft kaum noch Experten in Freiheit, die das tun könnten.
Ein unabhängiger Experte, der nicht namentlich zitiert werden will, sagte der taz: „Vietnam meint, gelernt zu haben, ohne unabhängige NGOs auszukommen.“
„Ohne Umweltschützer keine Energiepartnerschaft“
Phil Robertson von Human Rights Watch (HRW) sagt: „Nachdem die vietnamesische Regierung Menschenrechtsverteidiger und Demokratieaktivisten inhaftiert hat, nimmt sie nun diejenigen ins Visier, die sich für eine sauberere und nachhaltigere Umwelt einsetzen. Internationale Geber müssen Vietnams Führung klarmachen, dass die Just Energy Transition Partnership nicht vorankommen kann, solange Umweltaktivisten angegriffen werden.“
Human Rights Watch sei schockiert, dass die „Regierung in Hanoi entschieden hat, dass jeder, der für die Bekämpfung des Klimawandels seine Stimme erhebt, politisch gegen die regierende Kommunistische Partei in Vietnam ist.“
Die Festnahme der Umweltforscherin Nhien verurteilte auch das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte. Vietnamesischstämmige Menschenrechtler in Deutschland sind besonders um das Leben des inhaftierten Umweltaktivisten Dang Dinh Bach besorgt, der schweren Misshandlungen in der Haftanstalt ausgesetzt ist.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!