Klima-Entscheid am Sonntag in Berlin: „Hoffe auf 60 Prozent Beteiligung“

Landeswahlleiter Bröchler sieht keine Probleme bei der Briefwahl: Die Rücklaufquote betrage 80 Prozent. Er kritisiert die fehlende Kampagne der Gegner.

Ein Plakat in Grün an einer Straße wirbt für den Klima-Entscheid

Werbung für den Klima-Entscheid am kommenden Sonntag Foto: dpa

taz: Herr Bröchler, zuletzt fehlten noch zahlreiche Hel­fe­r*in­nen für den Klima-Volksentscheid am Sonntag. Wie ist der Stand bei den Vorbereitungen?

Stephan Bröchler: Gut. Relativ kurzfristig waren uns Wahlhelfende abgesprungen, aus krankheitlichen oder persönlichen Gründen. Insgesamt haben uns vor zwei Wochen rund 2.000 Personen gefehlt. Doch durch die Aufrufe über die Medien und die Innenverwaltung hat sich genug Ersatz gemeldet. Darüber bin ich enorm erleichtert. Denn das hätte den Ablauf der Abstimmung deutlich erschweren können.

Insgesamt sind rund 25.000 Hel­fe­r*in­nen im Einsatz. Werden die überhaupt etwas zu tun haben? Allgemein wird ja eher von einer niedrigeren Beteiligung ausgegangen.

Das ist schwierig abzuschätzen. Beim Enteignen-Entscheid parallel zur Wahl 2021 lag die Beteiligung bei 77 Prozent, bei der Wahlwiederholung im Februar bei 63 Prozent. Ich würde mir wünschen, dass wir 55 bis 60 Prozent erreichen.

Stephan Bröchler, 60, ist Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaft. Seit Oktober 2020 lehrt er an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin. Im September 2022 ernannte der Senat Bröchler zum neuen – ehrenamtlichen – Wahlleiter. Er trat sein Amt am 1. Oktober an.

Verglichen mit anderen Entscheiden, die nicht parallel zur einer Wahl stattfanden, wäre das sehr hoch.

Es hängt natürlich von der Mobilisierung ab. Am Samstag ist ja noch mal eine große Veranstaltung der Initiative. Das könnte helfen, die Wahlbeteiligung zu befördern.

Die Geg­ne­r*in­nen des Entscheids – also jene, die für ein „Nein“ sind – haben bisher kaum mobilisiert. Offensichtlich gilt die Taktik, möglichst wenig Aufmerksamkeit für die Abstimmung zu erzeugen, damit möglichst wenig Menschen abstimmen und der Entscheid am Quorum von 25 Prozent scheitert.

Als Politikwissenschaftler hätte ich mir mehr Pro und Contra gewünscht, aber das findet nicht statt. Das wundert mich, schließlich wird das Thema innerhalb der Gesellschaft kontrovers diskutiert.

Die Initiative hat in den letzten Tagen kritisiert, dass es offenbar Probleme bei der Zustellung der Briefabstimmungsunterlagen gegeben habe. Viele hätten diese nicht bekommen, auch der Rücklauf sei vergleichsweise gering.

Worum geht's? Zur Abstimmung steht ein Gesetzentwurf der Initiative Klimaneustart Berlin. Er sieht vor, dass das Land seine CO2-Emissionen bis 2030 fast auf Null senkt und damit klimaneutral wird. Bisher hat der Senat dieses Ziel bis 2045 angestrebt.

Klappt das? Damit der Entscheid erfolgreich ist, muss mindestens ein Viertel der Abstimmungsberechtigten mit „Ja“ stimmen; das sind rund 610.000 Berliner*innen. Zudem muss es mehr Ja- als Nein-Stimmen geben. Da es keine Gegenkampagne gibt, gilt letzteres als sehr wahrscheinlich. Abstimmungsberechtigt sind all jene, die auch das Berliner Abgeordnetenhaus wählen dürfen.

Welche Folgen hätte ein Erfolg? Da über ein Gesetz abgestimmt wird, ist der Senat – anders als beim Enteignen-Entscheid – verpflichtet, sich daran zu halten. Die Investitionen in die Verkehrswende, die Wärmeversorgung und die Gebäudedämmung müssten massiv verstärkt werden. (taz)

Wir haben noch mal nachgefragt bei den Bezirken: Es gibt kein massenhaftes Problem mit der Briefabstimmung. Inzwischen liegt die Rücklaufquote bei 80 Prozent, womit ich sehr zufrieden bin.

Insgesamt gab es rund 455.000 Anträge?

Richtig. Etwa 6 Prozent wollten sogar ganz auf Nummer Sicher gehen und haben mit ihren Briefwahlunterlagen in der Briefabstimmungsstelle abgestimmt.

Warum dann diese Aufregung?

Wir haben im Augenblick eine aufgeheizte Stimme; in der Folge wird Vieles mit einem selektiven Blick wahrgenommen und dann verallgemeinert. Aber ich denke, die Zahlen sprechen für sich. Vielleicht wird die Zahl auch noch auf 82 bis 83 Prozent steigen bis Sonntag.

Was raten Sie jenen, die ihre Briefabstimmungsunterlagen noch nicht zurück geschickt haben?

Am diesem Freitag kann noch bis 18 Uhr in der jeweiligen Briefabstimmungsstelle des Bezirks abgestimmt werden. Wer sich kurzfristig gegen die Briefabstimmung entscheidet, kann am Sonntag mit dem Abstimmungsschein in einem Abstimmungslokal des Bezirks, in dem der Abstimmungsschein ausgestellt wurde, abstimmen. Bitte den Personalausweis nicht vergessen mitzunehmen.

Wann rechnen Sie am Sonntag mit Ergebnissen?

Wir wollen um 19 Uhr eine erste Entwicklung kommunizieren. Ich rechne damit, dass wir das vorläufige Endergebnis zwischen 22 und 23 Uhr bekommen. Aber das hängt natürlich davon ab, wie knapp dieses Ergebnis ausfallen wird.

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