Klima- und Umweltpolitik der EU: Kommission und Parlament lockern Ziele und Standards
Die EU-Kommission will Umweltstandards „optimieren“, Umweltschützer sind alarmiert. Das Parlament konnte das Klimaziel schärfen.
Nachdem die EU das Lieferkettengesetz aufgeschoben und ausgehöhlt hat, knöpft sie sich nun die Umweltgesetze vor. Ein sogenannter „Umwelt-Omnibus“ soll die europäische Gesetzgebung vereinfachen und die Kosten für Unternehmen senken.
Bis zu 1 Milliarde Euro könnten europäische Firmen jährlich einsparen, verspricht die EU-Kommission in ihrem Entwurf, der am Mittwoch in Brüssel vorgelegt wurde. Umweltverbände sprechen von „Deregulierungstheater“.
Der Entwurf sieht „optimierte“ Umweltprüfungen für die Erteilung von Genehmigungen, vereinfachte Normen für umweltschädliche Emissionen und „effektivere digitale Lösungen“ zur Erfassung von Gefahrstoffen vor.
Außerdem sollen die Rechtsvorschriften für Batterien, Verpackungen, elektronische Geräte, Einwegkunststoffartikel und Abfälle gelockert werden – um die Hersteller zu entlasten und die Verantwortung EU-weit zu regeln.
Umweltstandards nicht angetastet? Experten skeptisch
Der Vereinfachungsprozess werde in den nächsten Jahren fortgesetzt, kündigte Kommissionsvizepräsidentin Teresa Ribera an. So soll 2026 ein Gesetz über die Kreislaufwirtschaft kommen – wiederum mit einfacheren Vorschriften und niedrigeren Kosten.
Die hohen europäischen Umweltstandards würden nicht angetastet, betonte Ribera. Das sehen viele Experten allerdings anders. Sie warnen vor einem Kahlschlag, der nicht nur die Umwelt gefährde, sondern auch die Verbraucher unnötigen Risiken aussetze.
„Wir erleben in Brüssel derzeit eine ganze Kaskade von Deregulierungsinitiativen, die als Vereinfachung verkauft werden, aber in Wahrheit zentrale Schutzstandards aushöhlen“, sagt Raphael Weyland, Büroleiter des Nabu in Brüssel.
Den Umweltschutz zu entkernen könne zwar kurzfristig bequem erscheinen, führe aber zwangsläufig zu einer schlechteren Datenlage, weniger Planungs- und Rechtssicherheit und insgesamt höheren Folgekosten.
„Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus wird Europas jahrzehntelang bewährte Umweltschutzgesetzgebung gezielt geschreddert“, kritisiert der WWF. Verantwortlich dafür sei auch Deutschland, meint die frühere grüne Europaabgeordnete Ska Keller, die jetzt beim WWF Deutschland für Europapolitik zuständig ist.
Mit dem Umwelt-Omnibus wolle Brüssel „im Schnelldurchlauf“ bedenkliche „Verwässerungen“ bei der Industrieemissionsrichtlinie, bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und bei der Herstellerverantwortung durchsetzen. Eine Folgenabschätzung fehle.
EU hat sich auf Klimaziel geeinigt
Rückendeckung bekommt die EU-Kommission dagegen vom CDU-Europaabgeordneten Peter Liese. „In all den betroffenen Bereichen wird der Kern der Umweltgesetzgebung nicht angepasst“, sagte er. „Wir müssen das Umweltrecht entschlacken, gerade weil wir es erhalten wollen.“
Das Europaparlament muss dem „Umwelt-Omnibus“ noch zustimmen. Zuletzt haben CDU/CSU und die ihr verbundene Europäische Volkspartei (EVP) mehrere Umwelt- und Klimagesetze mit den Stimmen von Rechten und Rechtsradikalen im Parlament gelockert und auf die lange Bank geschoben.
Allerdings gibt es auch eine gute Nachricht aus Brüssel: Das EU-Klimaziel für 2040 wurde endgültig festgeklopft. Unterhändler aus dem EU-Parlament und dem Rat der Mitgliedstaaten einigten sich in der Nacht zu Mittwoch darauf, den Treibhausgasausstoß in der EU bis 2040 grundsätzlich um 85 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.
Der Kompromiss sieht eine Hintertür vor. So dürfen die EU-Staaten bis zu 5 Prozentpunkte durch CO₂-Zertifikate aus dem Ausland anrechnen. Das könnte zu einer Gesamtreduktion von 90 Prozent führen.
Dahingehend konnte das Parlament durchsetzen, dass für die ausländischen Zertifikate strengere Regeln gelten. Sie dürfen nunmehr keine Projekte finanzieren, die „strategischen Interessen“ der EU zuwiderlaufen. Dies richtet sich vor allem gegen China, das in der Vergangenheit profitierte.
Das neue 85-Prozent-Ziel werde nicht leicht zu erreichen sein, warnte die österreichische Grünen-Abgeordnete Lena Schilling. „Wenn wir Klimagesetze weiter verwässern, gefährden wir dieses Ziel ernsthaft.“ Deshalb sei eine „Kurskorrektur“ nötig – doch die zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil: Die Deregulierung geht auch 2026 weiter.
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