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Klage gegen ProstituiertenschutzgesetzHurenpass und Betriebskonzept

SexarbeiterInnen müssen sich anmelden und regelmäßig gesundheitlich beraten lassen. Auch behördliche Kontrollen sind vorgesehen.

Der Arbeitsplatz von Sexarbeiter*innen soll kontrolliert werden können Foto: dpa

Berlin taz | Die Zahlen schwanken zwischen 400.000 und 1.000.000 – so viele (zumeist weibliche) SexarbeiterInnen soll es in Deutschland geben. Die jeden Tag rund 1,2 Millionen (zumeist männliche) Freier sexuell „bedienen“. Für sie gilt ab 1. Juli ein neues Gesetz, das Prostituiertenschutzgesetz. Es soll, so begründet es das zuständige Familienministerium, SexarbeiterInnen besser schützen.

Viele Frauen und Männer in der Sexarbeit sehen das anders – und haben am Mittwoch in Karlsruhe gegen das neue Gesetz eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die AktivistInnen, darunter Juanita Henning von der Prostituiertenselbsthilfeorganisation Dona Carmen in Frankfurt am Main und der Künstler und Netzaktivist Padeluun, argumentieren, das Gesetz verstoße etwa gegen das Persönlichkeitsrecht. Sie finden auch, dass es mit Artikel 3 des Grundgesetzes, dem Gleichheitsgebot für alle Menschen, nicht vereinbar sei.

„Mit gnadenloser Ignoranz wurde ein repressives Gesetz durchgezogen, das in der Prostitutionsbranche keinen Stein auf dem anderen lassen wird“, sagt Juanita Henning von Dona Carmen.

Das Prostituiertenschutzgesetz schreibt vor, dass sich Sexarbeitende – Frauen, Männer, Transpersonen – künftig anmelden müssen. Die Anmelde­bescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss, wird in der Szene „Hurenpass“ genannt. Um diesen überhaupt erst zu erhalten, müssen sich Prostituierte gesundheitlich beraten lassen. Diejenigen, die jünger sind als 21 Jahre, müssen das jedes halbe Jahr machen, die älteren einmal im Jahr.

Kontrollen und Kondompflicht

Die BetreiberInnen von Bordellen, sogenannten Laufhäusern und Wohnwagen müssen sich den Betrieb ihrer Prostitutionsstätten genehmigen lassen – so wie jedes andere Unternehmen eine Betriebszulassung braucht. Dafür müssen die BetreiberInnen der Rotlicht-Etablissements ein Betriebskonzept vorlegen. Ungeachtet dessen dürfen die BordellbetreiberInnen nicht vorbestraft sein. Der Arbeitsplatz soll künftig kontrolliert werden dürfen – auch wenn es sich um eine Privatwohnung handelt.

Flatrate-Sex, also das Prinzip „all you can fuck“, sowie Werbung für Prostitution werden verboten. Für Freier herrscht Kondompflicht, wer sich widersetzt, kann mit Geldstrafen rechnen.

Das Gesetz wird keinen Stein auf dem anderen lassen

Juanita Henning

Das Gesetz werde viele Prostituierte in die Illegalität drängen, glaubt Undine de Riviere, Pressesprecherin des Berufsverbands Erotische und sexuelle Dienstleistungen. Das Stigmatisierungsrisiko sei insbesondere für jene groß, deren Familie und Nachbarn nichts von der Sexarbeit wissen: Wenn Behörden künftig die Wohnungen und die Anmeldebescheinigung kontrollieren, könnte der verheimlichte Job rasch auffliegen.

Auch deswegen dürfte sich etwa nur ein Drittel der Sexarbeitenden bei den Behörden anmelden, so wird in der Szene geschätzt. Die anderen könnten ohne „Hurenpass“ illegal arbeiten oder ihren Sexjob aufgeben.

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3 Kommentare

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  • @Stefan Mustermann

     

    Man darf wohl davon ausgehen , daß die allergroße Mehrheit der Frauen (bzw. Männer) nicht

    mit Gewalt zur Prostitution gezwungen wird, sondern aus wirtschaftichen Gründen der Prostitution nachgeht.

     

    D.h. bekämen sie einen gleichgut bzw. gleichwertigen Job irgendwo anders, würden die meisten

    wohl nicht als Prostituierte arbeiten.

     

    Was die Frage aufwirft, ob die vielen Möglichkeiten, die es in Berlin für Austeigerinnen geben

    soll, wirklich so toll sind, wie sie suggerieren.

     

    Nähere Angaben (Gehalt, Befristung, Art der Tätigkeit, etc.) machen sie leider nicht.

  • Ich frage mich immer wo dieser Beruf beginnt.

    Klar, im Bordell ist es recht einfach. Aber sonst?

    Ein Nachbar von mir hat regelmäßig Besuch von einer Studentin. Die beiden haben Sex. Er zahlt nicht direkt bar dafür, sondern zahlt für sie manche Einkäufe und hilft bei den Studienkosten.

    Ist das Prostitution? Gefälligkeit unter Freunden?

     

    Nur ein Beispiel von vielen. Sex nach der Schenkung einer schönen (teuren) Halskette... Prostitution? Kommt viell. auf das Motiv der Schenkung an, keine Ahnung.

     

    Worauf ich hinaus will ist, das Sex gegen "irgendetwas" schon immer da war grade WEIL es so viele Möglichkeiten gibt. Ich schätze das dann mehr "eigentlich private Möglichkeiten" unprivat genutzt werden. Dadurch passiert das was niemand wollte: Die Szene kann noch weniger überblickt und eingeschätzt werden. Freiere Bahn für die Leute dahinter. Super :(

  • Man sollte eine Befragung durchführen und erfahren, warum Frauen diesen „Beruf“ wählten bzw. ob es freiwillig gewählt wurde oder ob es irgendwelche Umstände und Ursachen gab, die zu diesem „Beruf“ zwangen. Es sollen nicht nur Regelungen zu diesem „Beruf“ geschaffen werden, sondern auch die Möglichkeiten, aus diesem "Beruf " rauszukommen beispielsweise ihn zu wechseln. Denn es gibt zum Beispiel in Berlin viele Möglichkeiten, wo Frauen und vor allem Mütter nach einer kurzen Einarbeitung arbeiten könnten, und zwar: nicht als Prostituierten!