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Kita-Streik in BerlinSenat blockiert, Verdi eskaliert

Die Senatsverwaltung lehnt trotz Warnstreiks Verhandlungen ab. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, Kita-Personal zu entlasten.

Streiken, bis der Senat einsichtig ist: Er­zie­he­r:in­nen lassen ihrem Unmut vor dem Abgeordnetenhaus freien Lauf Foto: dpa | Fabian Sommer

Berlin taz | Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen an den Kitas macht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Ernst. Sollte der Senat nach einem weiteren Warnstreik am Donnerstag keine Verhandlungen aufnehmen, droht am Montag ein einwöchiger Ausstand. Verdi begründete den Schritt mit der Blockadehaltung des Senats. „Der Senat ignoriert die Dramatik der Situation in den Kitas. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Kolleg*innen“, sagt Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer der taz.

Verdi fordert für die rund 8.000 Beschäftigten der vom Land betriebenen Kitas Verhandlungen über einen gesonderten Tarifvertrag „pädagogische Qualität und Entlastung“. Kern dieses Entlastungstarifvertrags ist eine deutliche Verbesserung des Verhältnisses von Päd­ago­g:in­nen und Kindern. Der Personalschlüssel ist derzeit im Berliner Kitaförderungsgesetz festgelegt, wird aber in der Praxis wegen hoher Krankenstände, unbesetzter Stellen, administrativer Arbeit und Fortbildungen in der Praxis nur selten eingehalten.

Bislang lehnt die Senatsverwaltung für Finanzen Verhandlungen kategorisch ab. Mit einem gesonderten Entlastungstarifvertrag drohe Berlin aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zu fliegen, so die immer wieder vorgebrachte Begründung des Senats. „Berlin wird seine Mitgliedschaft nicht durch die Aufnahme von Gesprächen über einen tarifpolitischen Alleingang aufs Spiel setzen“, sagt eine Sprecherin der Finanzverwaltung der taz.

Die TdL ist ein Zusammenschluss aller Bundesländer (außer Hessen), der einheitliche Bezahlung und Arbeitsbedingungen unter den Beschäftigten der Länder garantieren soll. Sie stellt die Arbeitgeberseite dar, mit der Verdi Flächentarifverträge wie den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verhandelt. Gesonderte Verhandlungen einzelner Bundesländer über einen Entlastungstarifvertrag benötigt daher grundsätzlich die Zustimmung aller Mitgliedsländer.

Entlastungstarifvertrag prinzipiell möglich

Mit der Einführung der Hauptstadtzulage 2020, einem 150-Euro-Bonus für Landesbeschäftigte, drohte Berlin bereits der Ausschluss aus der TdL. Dieser konnte allerdings abgewendet werden, indem der Bonus im Zuge der TV-L-Verhandlungen im Dezember in den Tarifvertrag mitaufgenommen wurde. Ironischerweise wird das Fallbeispiel der Hauptstadtzulage von beiden Seiten als Argument angebracht.

„Vor diesem Hintergrund hat der Berliner Finanzsenator die Unterstützung der TdL, die Rückkehr von Berlin in die Tarifgemeinschaft der Länder nicht zu gefährden und grundsätzlich nicht mit weiteren Themen zu überfrachten“, sagt der TdL-Vorsitzende und Hamburger Finanzsenator Andreas Dessel (SPD) der taz.

„Man sieht an der Hauptstadtzulage, dass ein gesonderter Entlastungstarifvertrag prinzipiell möglich ist“, sagt hingegen Gewerkschaftssekretärin Tina Böhmer. Es fehle lediglich der politische Wille und die Bereitschaft, sich in der TdL durchzusetzen.

Auch Linken-Politikerin Franziska Brychcy kritisiert, dass der Senat sich hinter formalen Argumenten versteckt. So habe der Senat ihres Wissens nach noch nicht einmal einen formalen Antrag bei der TdL gestellt. Auch habe der Senat abseits eines Tarifvertrags viele Möglichkeiten, die Betreuungssituation in den Kitas zu verbessern.

„Entlastungsmechanismen könnte man leicht über die Rahmenverträge regeln“, sagt Brychcy. In diesen wird die Finanzierung der Kitas festgelegt, allerdings sind die Gewerkschaften an den Verhandlungen nicht beteiligt. Das Mindeste wäre, sich mit Verdi an einen Tisch zu setzen und nach Lösungen zu suchen. „Die Frage ist, warum noch nichts passiert ist.“

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1 Kommentar

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  • Wenn schon die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden können, was sollte es da dann bringen, sehenden Auges einen Tarifvetrag abzuschließen der dann ebenfalls nicht eingehalten wird.

    Gibt es dann weder mehr Personal noch mehr Raumkapazitäten müsste im Ergebnis die Zahl der Kitaplätze nach unten angepast werden.