Kirchentag im Zoo Stuttgart: Adam, Eva und das Einhorn
Im Stuttgarter Zoo lernen Kirchentagsbesucher, dass Menschen nicht die Krönung der Schöpfung sind. Ein heißer Ausflug ins Gehege.
Mit mechanisch verzerrtem Klang erschallt eine tiefe Männerstimme aus einem Lautsprecher, irgendwo über seinem Kopf und den Köpfen seiner Reisegruppe montiert: „Aktionswochenende für fleischfressende Pflanzen im Stuttgarter Zoo Wilhema.“
Die Natur hat sich an diesem Tag gegen den Journalisten und Theologen Turrey verschworen. Die Schlangen und Kröten haben sich längst versteckt, als er sich, gemeinsam mit BesucherInnen des Kirchentags, den Gehegen nähert. Die Sonne brennt und lässt einige Gesichter aufquellen.
Die Bibel und die Tiere, das ist eine Geschichte der Ausbeutung. Tauben und Schafe als Opfergaben, Affen zur Belustigung, Elefanten für die Kriegsführung.
Nicht die Krone der Schöpfung
Die Gruppe läuft durch ein Gewächshaus bis zu den Wachteln, die unter Christen früher beliebte Nahrung waren. Nur ein kleiner Vogel zeigt sich im Käfig, drückt sich in die Ecke, er wird kritisch beäugt. „Da braucht man aber einige, um satt zu werden“, sagt einer.
Kirchentage unter evangelischen ChristInnen heißt: Ernst zu nehmen, was dort verhandelt, erörtert, begrübelt und was direkt zur Sprache gebracht wird.
Die taz war immer so frei, gerade das an Kirchentagen aufzuspießen, was allzu wohlgefällig im „Allen wohl und niemand weh” unterzugehen droht. Streit nämlich, echte Kontroverse und das Vermögen, scharf Stellung zu beziehen.
Deshalb begleiten wir den Kirchentag auch: in Stuttgart vor Ort und mit vier täglichen Sonderseiten in der Zeitung. Zum ersten Mal schickt die taz Panter Stiftung dafür junge Journalisten nach Stuttgart, die die Berichterstattung übernehmen. Die elf ReporterInnen sind weit angereist, aus Mainz, Berlin oder Hamburg etwa. Es berichten: drei Katholiken, zwei Protestanten, eine Muslima und fünf Atheisten.
Turrey möchte mit den Führungen für ein neues Verständnis der biblischen Mensch-Tier-Beziehung werben. Der Mensch sei eben nicht die Krone der Schöpfung. „Einen Vorteil des Menschen gegenüber dem Tier gibt es da nicht. Beide sind Windhauch“, steht etwa im Buch Kohelet. Es gäbe sogar einige Stellen, an denen sich Pflegerichtlinien für Tiere finden.
Weiter geht’s zum Klassiker der Bibeltiere: Der Schlange. Einige aus der Gruppe beginnen, ihre Finger in den Käfig zu stecken und deuten auf Holzklötze und Gestrüpp. Irgendwo darunter soll sich die göttliche Schöpfung versteckt haben. Die will Turrey seinem Publikum aus biblischer Sicht näher bringen. „Die Schlange hat ja allgemein einen schlechten Ruf bei den Christen“, sagt er. Adam und Eva, Baum der Erkenntnis, Exodus.
Evolution und Bibel
Später dann kämpfte der heilige Georg gegen die Lindwürmer. „Das ist das gleiche Tier, nur ein paar Fassungen weiter.“ Die Bibel stünde der Evolutionstheorie nicht entgegen, sagt er. Sie belege sie sogar. Von den TeilnehmerInnen kein Widerspruch.
Die Fähigkeit zur kritischen Bibelarbeit ist immer wieder nötig: Aufgrund von Übersetzungsfehlern und Unwissenheit wird sonst aus einem Pfau schnell mal ein Perlhuhn, der nicht so sympathische Geier zum majestätischen Adler und der Seelöwe zum Seeungeheuer. Und was war noch mal mit dem Einhorn, das an mehreren Stellen Erwähnung findet?
Eine der letzten Stationen ist der Somali-Wildesel. „Oh Mama, Iiiaaaa!“, ruft ein kleines Mädchen und zeigt auf zwei der Tiere. Ochs und Esel an Jesus Krippe, der Einzug in Jerusalem auf dem Eselsrücken. Bei wichtigen Ereignissen scheint das Packtier oft nicht weit von Jesus gewesen zu sein. Während Turrey von der biblischen Bedeutung der Esel erzählt, ignoriert die Gruppe die kopulierenden Esel im Hintergrund. Manchmal kommt eben selbst beim biblischsten Tier einfach die Natur durch.
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