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Kofi Annan beim Kirchentag„Ich verlasse mich auf euch“

Beim Kirchentag muss Kofi Annan nur „Frieden“ sagen, schon flippen die Leute aus. Der Außenminister ist auch da.

Kofi Annan auf dem Kirchentag in Stuttgart. Foto: dpa

STUTTGART taz | Der Applaus will schon vor Kofi Annans ersten Worten kein Ende nehmen. Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart ist besetzt bis auf den letzten Platz, nicht einmal Angela Merkel oder Joachim Gauck haben das geschafft.

Der frühere UN-Generalsekretär möchte beim Kirchentag mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem irischen Bischof Nick Baines über eine Welt sprechen, die aus den Fugen geraten ist – und darüber, ob die Mächtigen noch immer so ohnmächtig sind, wie Willy Brandt es ihnen vor 32 Jahren auf dem Kirchentag in Hannover attestiert hat.

Aber unter guten Christen sei Aufhören natürlich keine Option und Tatenlosigkeit keine Haltung – damit fasst Steinmeier die Position der Podiumsteilnehmer zusammen. Sie sprechen über Terrororganisationen im Nahen Osten und Afrika, über den Klimawandel und die Migrationsproblematik. All das, was es zu Brandts Zeiten auch schon gab, aber durch Globalisierung, nicht-staatliche Akteure und Technisierung neue Dimensionen erlangt hat.

„Wir können heute nicht mehr behaupten, dass wir von Unrecht und Leid auf der Welt nichts wissen“, sagt Annan. Es könne deshalb jeder eine Führungsrolle übernehmen. „Ich verlasse mich auf euch“, sagt er und richtet sich damit vor allem an seine jüngeren ZuhörerInnen. Annan spricht leise, aber deutlich; bedacht, aber mahnend.

Wildes Klatschen

taz beim Kirchentag

Kirchentage unter evangelischen ChristInnen heißt: Ernst zu nehmen, was dort verhandelt, erörtert, begrübelt und was direkt zur Sprache gebracht wird.

Die taz war immer so frei, gerade das an Kirchentagen aufzuspießen, was allzu wohlgefällig im „Allen wohl und niemand weh” unterzugehen droht. Streit nämlich, echte Kontroverse und das Vermögen, scharf Stellung zu beziehen.

Deshalb begleiten wir den Kirchentag auch: in Stuttgart vor Ort und mit vier täglichen Sonderseiten in der Zeitung. Zum ersten Mal schickt die taz Panter Stiftung dafür junge Journalisten nach Stuttgart, die die Berichterstattung übernehmen. Die elf ReporterInnen sind weit angereist, aus Mainz, Berlin oder Hamburg etwa. Es berichten: drei Katholiken, zwei Protestanten, eine Muslima und fünf Atheisten.

„Wer von uns hat nicht das Gefühl, dass die Welt seit dem Mauerfall in sich zusammengebrochen ist?“, fragt er und versichert dann: „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Die Christen feiern ihn wie einen Superstar. Er muss fast nur ein Stichwort, zum Beispiel Frieden, in den Raum werfen, schon wird wie wild geklatscht. Was er sagt, kommt zwar gut an – ist aber nicht wirklich neu.

Auch Steinmeier beruft sich auf Bewährtes und wirbt für eine größere Verantwortung Deutschlands. Dafür, dass aus Fehlern wie dem Irakkrieg gelernt werden müsse. „Wenn man eine Ordnung zerstört, muss man wissen, wie der zweite Schritt aussieht.“

Bischof Baines kritisiert unterdessen leere Versprechen der Politik und sogar Veranstaltungen wie diese. „Wir denken immer: Durch Gespräche erreichen wir etwas. Aber reden allein verändert die Welt nicht.“ Unerwartete Antworten auf konkrete Fragen aus dem Publikum gibt es tatsächlich nicht. Die Bundesregierung werde Palästina nicht anerkennen und die Waffenexportpraxis irgendwann restriktiver gestalten.

Was denn jeder vor der Haustür für mehr Frieden machen könne, möchten die Annan-Fans dann noch wissen. Diesmal löst Bischof Baines mit seinem Ratschlag den Applaus aus: „Nur eine Sache: Folgt Jesus.“

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1 Kommentar

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  • Kofi war in seinem Amt gewachsen und hatte sich immer weniger von den USA rumschubsen lassen, wenigstens zu widersprechen gewagt.

     

    Bei Ban Ki Moon muss man Angst haben, dass ihm dies nie gelingen wird.

     

    Wie augenblicklich zu lesen ist, muss dieer sich dem Druck der USA stellen, wer auf der Liste der Staaten gesetzt werden kann, die in besonderer Weise die Rechte von Kindern im Jahr 2014 verletzt haben.

     

    Da soll nach dem Willen der USA ein Staat nicht genannt werden.