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Kirchenfrieden oder Abschiebung?

■ Die Jakobi-Kirchengemeinde in Wahrsingsfehn ist gespalten: Soll sie einem kurdischem Straftäter Asyl gewähren oder nicht?

Die lutherische Jakobi-Kirchengemeinde im ostfriesischen Wahrsingsfehn gleicht einem Scherbenhaufen. Seit November letzten Jahres gewährt sie einer fünfköpfigen kurdischen Familie Kirchenasyl. Jetzt wird der Mann beschuldigt, zwei Frauen aus der Gemeinde sexuell belästigt zu haben. Entgegen anderen Meldungen hat die Staatsanwaltschaft noch keine Anklage erhoben. „Aber wir werden dies wohl tun“, erklärt der zuständige Staatsanwalt, Burkhard Grulich gegenüber der taz. Was die Gemeinde nicht wußte, als sie Kirchenasyl gewährte: Der Mann, dem sie vor der Abschiebung Schutz bot, war schon 1993 rechtskräftig wegen eines Sexualdeliktes verurteilt worden.

Erst wenige Wochen nach Aufnahme der kurdischen Familie erfuhr die Gemeinde von der Verurteilung des Mannes wegen sexuellen Mißbrauchs einer Minderjährigen. Die Tat geschah in einem Nachbardorf. Einige Gemeindemitglieder drängten darauf, das Kirchasyl sofort zu beenden. Da sämtliche Asylanträge der kurdischen Familie abschlägig behandelt worden waren, hätte ein Ende des Kirchenasyls die Abschiebung der Familie bedeutet. Trotzdem beschloß eine Gemeindeversammlung, das Kirchenasyl zu beenden. Doch dieser Beschluß wurde nicht in die Tat umgesetzt. Das spaltete die Gemeinde. „Es geht nicht gegen die Institution Kirchenasyl. Es geht um die konkreten, untragbaren Verhältnisse in Wahrsingsfehn“, sagt Hans-Martin Heins, einer der beiden Gemeindepfarrer.

Der Eklat war perfekt, als zwei Frauen den kurdischen Asylbewerber wegen erneuter sexueller Belästigungen anzeigten. Bis auf ein Mitglied ist der Kirchenvorstand der Gemeinde zurückgetreten. Die Geschäfte führt jetzt der Kirchenkreisvorstand in Leer mit dem Superintendenten Günter Arnold.

Gemeindefrieden oder Abschiebung, vor diese Alternative stellte Arnold die Gemeindeversamm-lung in der vergangenen Woche. Die Versammlung beschloß: Ende des Kirchenasyls ist am 15. Mai. Sollte es bei dem Beschluß der Gemeinde bleiben, müßte Superintendent Arnold dann die Ausländerbehörden und die Polizei einschalten. Eine Abschiebung, so sagte Arnold, könne er aber mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. „Außerdem ist ein Beschluß der Gemeindeversammlung für den Kirchkreisvorstand nicht rechtsverbindlich“, deutet Kirchenkreissprecher Buchna die Möglichkeit an, der Superintendent könnte sich über den Gemeindebeschluß hinwegsetzen. Glücklich wäre die Kirchenverwaltung damit nicht. „Im Interesse der Frau und der Kinder wollen wir eine vetretbare Lösung finden“, sagt Kirchensprecher Buchna.

Zur Zeit verhandelt der Kirchenkreis mit dem Landkreis über eine Lösung, die Abschiebung zu verhindern, aber trotzdem das Kirchasyl aufzuheben. „Am liebsten wäre es uns, wenn die kurdische Familie freiwillig in die Türkei ausreisen würde“, überlegt der Leiter der Rechtsabteilung des Landkreises Leer, August Klosse. Dies wird die kurdische Familie aber nach Informationen der taz nicht tun. „Wir könnten auf einen Asylfolgeantrag hinarbeiten, unabhängig von dem Strafverfahren gegen den Kurden“, diskutiert Klosse die zweite Möglichkeit. Dann könnte die kurdische Familie ihr Kirchenasyl verlassen und wäre in der Obhut des Landkreises. „Wenn die Kurden aber jetzt untertauchen, können wir auch nicht viel machen“, meint Landkreissprecher Bakker. Thomas Schumacher

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