Kirchenasyl: Tschetschene darf bleiben: Zu krank für die Abschiebung
Der tschetschenische Flüchtling wird nicht aus seinem Friedrichshainer Kirchenasyl abgeschoben. Amtsarzt bestätigt Reiseunfähigkeit. Alle Polizeimaßnahmen sind aufgehoben. Die Gemeinde feiert.
Es ist geschafft: Der 26-jährige Tschetschene, der sich drei Wochen im Friedrichshainer Kirchenasyl in der Galiläa-Samariter-Gemeinde befand, darf vorerst in Deutschland bleiben. Eine ärztliche Untersuchung am Freitag ergab, dass der Flüchtling nicht reise- und transportfähig ist. Er sollte umgehend in eine Klinik gebracht werden.
"Er kann es noch gar nicht fassen. Wir auch nicht", sagte die Ausländerbeauftragte der Gemeinde, Edeltraut Pohl. Ursprünglich sollte der Tschetschene bis zum 10. März abgeschoben werden, weil er über das "sichere Drittstaatenland" Polen nach Berlin geflüchtet war. Fünfmal hatte die Polizei erfolglos versucht, ihn in der Gemeinde zu verhaften (taz berichtete).
Immer wieder hatten die Unterstützer auf die prekäre gesundheitliche Lage des Flüchtlings hingewiesen: Der in seiner Heimat mehrfach Festgenommene und Gefolterte leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Nierenschmerzen und inneren Blutungen aufgrund seiner Magengeschwüre. Dieser Zustand habe sich im Kirchenasyl noch verschlechtert.
Erst am Donnerstag hatte die Evangelische Landeskirche in Verhandlungen mit der Polizei die Untersuchung des Flüchtlings durch einen Amtsarzt durchgesetzt. "Der Betroffene ist weder reise- noch verwahr- noch flugfähig", sagte Polizeisprecherin Berit Königsmann der taz. Polizeipräsident Dieter Glietsch habe gegenüber der Landeskirche erklärt, dass keine weiteren Abschiebemaßnahmen erfolgen werden. "Der Haftantrag ist zurückgenommen", bekräftigte auch Tatjana Pohl, Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting. Damit ist es dem Flüchtling nun möglich, ein Asylverfahren in Deutschland zu durchlaufen.
Im Laufe des Tages waren immer wieder Gemeindemitglieder in die Galiläa-Samariter-Kirche geströmt. "Nach der Bekanntgabe herrschte einfach Erleichterung, einige weinten", so Edeltraut Pohl. Der Tschetschene habe mit einem Übersetzer eine "wunderschöne kleine Dankesrede" gehalten, berichtet Pfarrer Jürgen Passoth, der Verhandlungen mit der Ausländerbehörde geführt hatte. "Ein berührender Moment." Erstmals konnte der gläubige Muslim damit sein Kirchenasyl wieder verlassen. Mehrere Gemeindemitglieder hatten ihn zuletzt rund um die Uhr betreut. Gemeindepfarrer Peter Sedler hatte mit dem Tsche-tschenen in der Kirche übernachtet.
"Das ärztliche Gutachten ist auch eine Bestätigung, dass wir mit dem Kirchenasyl richtig gehandelt haben", so Passoth. Nie sei es darum gegangen, sich über das Gesetz zu erheben. Dies hatte Körting der Gemeinde vorgeworfen. "Wir wollten immer nur eine humanitäre Lösung", sagte Passoth. Die Aufnahme des Tschetschenen ins Kirchenasyl habe man umgehend der Ausländerbehörde mitgeteilt.
Auch der Berliner Flüchtlingsrat stellte sich hinter das Vorgehen der Gemeinde. "Der Skandal ist, dass der Flüchtling trotz seines gesundheitlichen Zustandes und der gesetzlichen Möglichkeit Deutschlands, das Asylverfahren zu übernehmen, überhaupt abgeschoben werden sollte", sagte Georg Classen. Solange das Asylrecht nur auf dem Papier stehe, werde es immer wieder zu Kirchenasylen kommen.
Die SPD-Abgeordnete Canan Bayram hält auch den politischen Druck auf ihren Innensenator als ausschlaggebend. Sowohl die Berliner Linke als auch die FDP hatten sich für den Flüchtling eingesetzt. "Auch bei scheinbar eindeutigen juristischen Fällen, muss das Einzelschicksal des Flüchtlings gesehen werden", so Bayram, die den Tschetschenen mehrmals in der Kirche besucht hatte.
Die Gemeinde plant nun eine Dankesfeier. "Es hatten so viele Gemeindemitglieder Anteil genommen", berichtet Bayram. "Für sie war es ein Stück gelebte Christlichkeit." Nun wollen sie den Tschetschenen auch im Krankenhaus weiter betreuen.
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