Kommentar zum Kirchenasyl: Der gute Fehler als Korrektiv

Die Kirche stellt sich mit dem Kirchenasyl gegen den Staat. Darf das auch gut finden, wer kein Kirchenmitglied ist?

Mal angenommen, Sie haben ein Herz für von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge und sind Christ. Dann dürfte Kirchenasyl für Sie eine Selbstverständlichkeit sein, die vom Staat nicht angetastet werden darf. Was aber, wenn man - wie die Mehrheit der Berliner - kein Kirchenmitglied ist? Wenn man die christlichen Vereinigungen gar für verstaubt und weltfremd hält? Muss man dann einen Hochgesang auf die Polizei anstimmen, wenn sie es nicht zulässt, das Einzelne unter Berufung auf irgendein höheres Wesen Sonderrechte geltend machen können?

Man müsste - wenn der Staat perfekt wäre. Dann könnten die Gläubigen beten. Und die anderen spazieren gehen. Denn der Staat würde Schutzbedürftigen umgehend ein Bleiberecht erteilen. Und der Tschetschene, der in der Galiäa-Samariter-Kirche Asyl gefunden hat, müsste die Polizei nicht fürchten.

Aber der Staat ist nicht perfekt. Das Ausländerrecht erlaubt, nahezu jeden Flüchtling, der nicht vom Himmel gefallen ist, abzuschieben. Ganz egal, welcher Grund ihn hergeführt hat. Die Rechtslage ist dermaßen inhuman, dass der Staat selbst inzwischen Härtefallkommissionen eingerichtet hat, die ganz offiziell um Gnade für Flüchtlinge bitten dürfen, denen auf legalem Weg nicht zu helfen ist. Die Rechtslage ist dermaßen inhuman, dass der Staat selbst bei der Durchsetzung zögert, wenn bestimmte Gruppen sich für einzelne Flüchtlinge einsetzen. Leider zögert er - wenn überhaupt - nur bei Kirchenasyl, nicht aber bei einem genauso denkbaren Asyl in einer WG oder gar in einem Nagelstudio. Schließlich könnten sich Schutz gewährende Betreiber auch dort zweifelsohne auf einen höheren Wert berufen: die Humanität.

Es ist ein Skandal, dass der Staat einen Gott braucht, um sich an humanitäre Werte zu erinnern. So lange es aber die einzige staatlich akzeptierte Lösung ist, muss man sie nutzen. Ob man nun an Gott glaubt oder nicht.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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