Kinotipps für Berlin: Die Emotionen schlagen hoch
Das Filmorchester Babelsberg vertont Ernst Lubitschs Stummfilmklassiker „Sumurun“ mit der lang verschollenen Originalmusik von Victor Hollaender.
H eute schätzt man Ernst Lubitsch ja vor allem aufgrund seiner überaus intelligenten (und frechen) Komödien, doch seinen zeitgenössischen Ruf als bedeutender Stummfilmregisseur verdankte der Berliner viel eher seiner Fähigkeit, aufwändige Historienspektakel mit Publikumsappeal inszenieren zu können – das war auch der Grund, warum man ihn dann in Hollywood haben wollte.
„Sumurun“ (1920) gehört als ein im Bagdad des 9. Jahrhundert spielendes Orientmärchen ein Stück weit zur zweiten Kategorie, ist zugleich aber auch eine Hommage an Max Reinhardt, der diese Pantomime von Friedrich Freska bereits 1910 auf die Bühne gebracht und auch verfilmt hatte.
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Lubitsch hatte seine Laufbahn als Schauspieler etwa um jene Zeit bei Reinhardt am Deutschen Theater begonnen, und er spielt in seiner eigenen Verfilmung auch eine der Hauptrollen: Als Buckeliger einer Gauklertruppe liebt er die schöne Tänzerin (Pola Negri), die am Hof zu Bagdad bald auch vom alten und vom jungen Scheich begehrt wird.
Die Emotionen schlagen hoch, Mord und Totschlag sind die Folge. Der Film wurde schon mehrfach restauriert, aber die Originalmusik von Victor Hollaender galt lange als verschollen. Doch im vergangenen Jahr wurde ein Klavierauszug entdeckt, anhand dessen der Dirigent und Arrangeur Burkhard Götze jetzt eine Neuorchestrierung vornahm.
Selbige wird er nun gemeinsam mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg im Nikolaisaal Potsdam in einem Stummfilmkonzert erstmals live zu Gehör bringen – was sicher eine spannende Neuentdeckung von Lubitschs Klassiker möglich macht (13. 11., 20 Uhr, Nikolaisaal Potsdam).
Bis zum 14. November läuft im ACUD Kino noch das 5. Visionär Film Festival – Encounters with New Talents, das seinem Namen gemäß vor allem erste und zweite Regiearbeiten mit innovativem Charakter zeigt. Dazu gehört auch „My Mexican Bretzel“ von Nuria Giménez, die in ihrem Dokumentarfilm von der Society-Lady Vivian Barrett erzählt: ein Leben zwischen Paris, New York und New Orleans mit tollem Haus, schicken Autos und Motorboot.
Vivian, die dieses Leben mit ihrem Mann Léon lebt, geht es zweifelsohne gut, sie offenbart ihre Gedanken in Tagebuchaufzeichnungen und gibt als Dreingabe noch die Weisheiten des Gurus Kharjappali mit dazu. Nur: All diese Leute gab es nie. Denn Giménez hat sich zu den farbigen Urlaubsfilmen ihrer Großeltern aus den 50er- und 60er-Jahren diese Lebensgeschichte nur ausgedacht. Found Footage einmal ganz anders: clever und unterhaltsam (13. 11., 17 Uhr, ACUD 2).
Seit einem Bürgerkrieg in den Jahren 1992/93 ist das von Russland unterstützte, aber international weitgehend nicht anerkannte Abchasien von Georgien abgespalten, die georgischen Bewohner wurden seinerzeit aus ihren Dörfern vertrieben. Doch beide Seiten betreiben immer noch gemeinsam ein Wasserkraftwerk, das die Elektrizitätsversorgung der Region sichert – die Grenze läuft praktisch durch eine gewaltige Staumauer hindurch.
Jeden Tag fahren georgische Mitarbeiter nun – mit Grenzkontrolle und allem Drumherum – im Bus nach Abchasien, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Abends geht es zurück. Auch Regisseurin Maradia Tsaava und ihr kleines Team ersuchen immer wieder um eine Einreisegenehmigung nach – die jedoch ohne Angabe von Gründen verweigert und damit fast so etwas wie der traurige Running Gag ihres Dokumentarfilms „Water Has No Borders“ wird.
Was sie filmen kann, sind die Menschen auf der georgischen Seite, die von ihrem durch den Krieg durcheinander geratenen Leben erzählen, allen voran der stets gut gelaunte Ingenieur Ika und die leicht deprimierten Damen aus der Betriebskantine (17. 11., 19.30 Uhr, Kino Krokodil).
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