Kinotipp der Woche: Andere Traditionen
Wer von den reaktionären Überbleibseln der Feiertage genug hat, kann sich beim Weihnachtsfilmfestival mit Queerem und Animiertem Luft verschaffen.
Weihnachten: Die Familie ist ein paar Tage lang glücklich vereint, alle haben sich gern, das Essen könnte besser nicht sein, die kollektive Freude über die wunderbaren Geschenke riesig. In Wahrheit läuft es nirgends so, aber das Versprechen von Weihnachten als glückselig machendes Fest wiederholt sich dennoch jedes Jahr aufs Neue, da kann man machen, was man will. Für so manche Angehörige der queeren New Yorker Voguing-Szene könnte sich dieses besonders schal anfühlen, weil beispielsweise der Onkel oder Opa auch unterm Weihnachtsbaum die homophoben Sprüche nicht sein lassen kann.
Aber diese Angst vor unangenehmen Erfahrungen beim Fest der Liebe muss nicht sein, so die heile Botschaft in „House of Xmas“ (2017), einem Kurzfilm von Aurélien Heilbronn, der eine Gruppe junger Vogue-Tänzer und -tänzerinnen porträtiert. Leckeres Essen, familiäre Gemeinschaft, das organisieren sie sich in dieser Szene an Heiligabend einfach selbst. Und die Musik, die dann läuft, wird auch besser sein, als wenn der Onkel oder der Opa „Jingle Bells“ singt.
„House of Xmas“ läuft im Rahmen der „Queer Xmas Shorts“-Specials am 21. Dezember beim Weihnachtsfilmfestival im Kino Moviemento, das dort bereits zur Tradition geworden ist. An Heiligabend und am zweiten Weihnachtsfeiertag gibt es außerdem ein „Xmas Animation Special“, bei dem animierte Kurzfilme gezeigt werden, die irgendetwas mit Weihnachten zu tun haben. Für alle, die an den Weihnachtstagen und sogar an Heiligabend lieber ihre Ruhe bei einem Kinobesuch suchen, aber der Thematik Weihnachten trotzdem etwas abgewinnen können, ist letzteres Special also eine sehr gute Wahl.
Ausgehend von Matthew Saltons Kurzfilm „Santa is a psychedelic mushroom“ (2017) kann man sich auch nach der Vorführung daheim noch weiter ausgiebig mit der Frage beschäftigen, ob der historische Weihnachtsmann in Wahrheit ein Schamane auf einem wirklich schrägen Trip war. Einer Legende nach kommt der ja von irgendwo ganz weit im Norden Skandinaviens und war ursprünglich ein Angehöriger der indigenen Samen. Und deren Schamanen haben früher viel mit Fliegenpilzen herumprobiert. Dass einer davon die Vision gehabt haben könnte, er könne fliegen auf seinem Rentierschlitten, und sich fortan rot-weiß kleidete, als wäre er ein Mensch gewordener Fliegenpilz, diese Theorie gibt es wirklich. „Santa is a psychedelic mushroom“ erläutert sie noch einmal in all ihren Facetten und das mit einem Augenzwinkern.
Es weihnachtet also oft auf sehr spezielle Weise bei diesem Weihnachtsfilmfestival. Wobei ein Animationsfilm wie „Departure“ (2017) von Aoífe Doyle auch ganz in der Tradition von „Der kleine Lord“ einfach nur goldig und rührend sein darf. Wenn Oma Alma sich die Reise von Irland nach Australien mal wieder nicht leisten kann, ihre geliebte Familie also nicht sehen wird und dann durch eine wundersame Fügung des Schicksals alles ganz anders kommt, bleibt kein Auge trocken.
An „Wren Boys“ (2017) von Harry Lighton dagegen ist im eigentliche Sinne wenig weihnachtlich, außer dass die Handlung einen Tag nach dem Fest spielt und ein katholischer Pfarrer darin vorkommt. Der fährt seinen Neffen ins Gefängnis, damit der seinen inhaftierten Partner umarmen und diesem die ewige Liebe schwören kann. Was einem Mitglied der Kirchengemeinde freilich überhaupt nicht gefällt, wie es unmissverständlich klarmacht.
Weihnachten ist das größte aller christlichen Feste. Doch da die christlichen Kirchen und ihre Ideologie immer noch so ihre Probleme mit queeren Menschen haben, kann es für diese und ihre Sympathisanten auch ganz schnell zum schlimmsten aller Feste werden. Daran erinnern gleich ein paar dieser Queer Xmas Shorts, die im Moviemento gezeigt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!