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Kinotipp der WocheNicht immer mit Pointe

Vom Drama bis zur Komödie: Das Festival „British Shorts“ zeigt in seiner Sommerausgabe ein Best-of aktueller Kurzfilme aus Großbritannien.

„Crab Day“ (R.: Ross Stringer) läuft am Sonntag im Sputnik Kino Foto: NFTS

Liam ist eher nicht der Typ Tanzlehrer, den man sich für sein Kind wünscht. Er hat sichtlich überhaupt keine Lust auf den Job, raucht während der Tanzstunden eine Zigarette nach der anderen und versucht, sich mit peinlichen Sprüchen an die Mütter des Tanznachwuchses ranzumachen.

Das ist ungefähr die Story des Kurzfilms „Paso Doble“ von Heida Reed. Eine schräge Hauptfigur wird eingeführt, enormes Konfliktpotential aufgezeigt. Aber dann kommt schon der Schluss. Musik startet, Liam zeigt, was er selbst als Tänzer so drauf hat und das war’s dann. Was soll das? Was ist die Pointe?

Einige der Kurzfilme, die an drei Tagen hintereinander bei der „British Shorts Summer Edition“ in drei verschiedenen Berliner Kinos gezeigt werden, verweigern sich wie „Paso Doble“ bewusst klaren Aussagen. Drehen bestimmten Erwartungshaltungen eine lange Nase und machen deutlich, dass bei Shortys auch einmal andere Regeln gelten können als bei Langfilmen.

Oder auch „White Ant“ von Shalini Adnani: Hier kommt ein Mann aus Mumbai zurück in das Haus seiner Eltern in einem kleinen indischen Dorf und sieht es von mysteriösen, weißen Termiten befallen. Die Viecher erscheinen wie eine unkontrollierbare Macht, zu der der Mann aus irgendwelchen Gründen eine Verbindung aufbaut. Sie sind weniger sein Feind als eine zu respektierende Naturerscheinung.

Das Festival

British Shorts Summer Edition: 2.-4. 8., Freiluftkino Kino Insel, Freiluftkino Friedrichshain, Sputnik Kino am Südstern

Warum und wieso dieses geheimnisvolle Verständnis zwischen Mensch und Tier? Und werden Mann und Termiten sich am Ende einig, das Elternhaus doch zu verschonen? Das bleibt alles offen. Kurzfilme wie „Paso Doble“ oder „White Ant“, das lehren einen diese „British Shorts“, können bestens unterhalten und spannend sein, aber man sollte akzeptieren, dass sie nach anderen Regeln funktionieren als ein handelsüblicher Film auf Netflix für den Massengeschmack.

Die „British Shorts“ sind ein jährlich stattfindendes Festival, das aktuelle Kurzfilme aus Großbritannien zeigt. In seiner sommerlichen Extraausgabe, bei der sich das Freiluftkino Insel, das Sputnik Kino am Südstern und das Freiluftkino Friedrichshain beteiligen, wird nun ein Festival-Best-of gezeigt. An jedem der drei Termine wird ein anderes Programm angeboten. Die Filme kommen dabei aus den unterschiedlichsten Genres, vom Drama bis zur Komödie ist alles mit dabei, Animationsfilme obendrauf.

Am meisten überzeugen aber die vornehmlich lustigen Shorties. Etwa „The Call“ von Riffy Ahmed. Hier besucht eine besorgte Tochter ihre Mutter, von der sie annimmt, dass sie gerade geistig ziemlich abbaut. Diese erzählt dann auch lauter wirres Zeug und behauptet, sie sei eigentlich eine verdienstvolle Superheldin, die sich mit Typen wie dem „Scorpion Man“ anlegt. Die Tochter muss zu ihrem und vielleicht auch zum Erstaunen des Zuschauers oder der Zuschauerin bald erkennen: Ihre Mutter ist tatsächlich das, was sie von sich behauptet.

Superwitzig ist auch „Choked Up“ von Jill Worsley, wo eine englische Politikerin sich in einer Fernsehlivesendung als große Umweltschützerin inszenieren möchte, dabei aber durch eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen einen Shitstorm nach dem anderen kassiert.

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Lustig, aber auch putzig und irgendwie tiefgründig ist der wunderbare Animationsfilm mit Strichmännchenästhetik „Crab Day“ von Ross Stringer. Hier soll ein Junge in einer Gemeinschaft von Krabbenfischern zum echten Mann reifen, indem er bei einem Ritual eine Krabbe mit der Axt in zwei Teile teilt.

Doch der sensible Junge rettet das Tier, das bald zur Riesenkrabbe heranwächst und von allen Krabbenfischern bekämpft wird. Der Junge aber findet erneut einen Weg, sich mit dem Meeresbewohner zu arrangieren. Und zeigt seinem Vater, dass es auch noch etwas anderes geben kann als ein Leben als Krabbenfischer. Eine wirklich bizarre Geschichte, ein echter „British Short“.

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