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Kinotipp der WocheEin Gefühl von Diaspora

Die Reihe „Chinese Feeling Elsewhere“ zeigt Grenzerfahrungen zwischen Aufbruch, Verlust und Zugehörigkeit und findet dabei zu verschiedenen Filmsprachen.

Szene aus Song Peng Feis „Tracing Her Shadow“ (China, Japan 2020) Foto: Song Peng Fei

Als die Pandemie Hongkong in den Griff nahm, wandte sich die Hongkonger Regisseurin Ann HUI einem schon länger gehegten Herzensprojekt zu: einem Film über Hongkonger Lyriker_innen, vor allem solchen, die schon in den 1970er und 1980er Jahren aktiv waren und die Regisseurin im Laufe ihrer Karriere begleitet haben.

„Elegies“ beginnt denn auch mit einer Reihe älterer Männer und Frauen, die Ann HUI vor der Kamera befragt. In gleichermaßen intimen wie entspannten Gesprächen wird über Poesie gesprochen und über grundlegende Fragen, wie die, was eigentlich ein Gedicht ist.

Immer wieder kreisen die Gedichte um Alltagssituationen der Stadt. So auch eines der Lyrikerin XI Xi (1937–2022): „Ich lebe so nah am Flughafen, dass die vorüberziehenden Flugzeuge/ immer über meinem Kopf im Himmel zu hängen scheinen./ Sie fliegen so tief/ sie könnten die Antennen von den Dächern rasieren./ Manchmal frage ich mich:/ Werde ich plötzlich den Flügel eines Flugzeugs/ durch mein Fenster ragen sehen.“ 1937 in Shanghai geborenen, war die Dichterin 1950 nach Hongkong gezogen. Im Film ist noch einmal zu sehen, wie sie ihre Werke rezitiert.

Die Filmreihe

Chinese Feeling Elsewhere – Tracing Diasporic Footprints in a Hypermobile World. Sinema Transtopia, bis 21. 4., Lindower str. 20/22, Haus C; Screenings Fr. 19. 4./Sa. 20. 4./So. 21. 4., je 20 Uhr

„Elegies“ wird am Sonntag eine von von WANG Zifei und HE Lin zusammengestellte Filmreihe im Sinema Transtopia abschließen, die sich chinesischen Diasporas und ihren Bezügen auf ihre Herkunftsregion widmet. „Chinese Feeling Elsewhere – Tracing Diasporic Footprints in a Hypermobile World durchstreift Perspektiven auf China und Hongkong von Filmemacher_innen, die sich innerhalb und außerhalb der Volksrepublik, Taiwans und Hongkongs verorten.

Begonnen hat die Reihe letzten Freitag mit einem von Naomi KAWASE und JIA Zhangke produzierten Film über Nachkommen von Bäuerinnen, die Japan während des Faschismus und der Besetzung von Teilen Chinas in den Nordosten entsandt hat. In SONG Peng Feis „Tracing Her Shadow“ reist Hatsumis Großmutter auf der Suche nach ihrer Adoptivtochter nach Japan. Gemeinsam mit ihrer Enkelin und einem pensionierten Polizisten, den Hatsumi aus einer Bar, in der sie arbeitet, kennt, macht sich die Großmutter auf die Suche.

„Tracing Her Shadow“ ist ein überraschend humorvoller Film über die komplexe Geschichte japanischer Besiedlungspläne, der Adoption von japanischen Waisenkindern in China nach dem Krieg und den japanischen Rückführungsbemühungen nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Japan und der Volksrepublik 1972.

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Am Samstagabend (20. 4.) zeigt die Reihe unter dem Titel „Diaspora to the Ghostly Past: A Duo of Experimental Docs“ zwei experimentelle Dokumentarfilme. Neben YANG Yuyes „The Time Boat/Siam“ wird Tzu-an WUs „This Shore: A Family Story“ gezeigt. Der Film des in New York lebenden Film- und Medienkünstlers kombiniert persönliche Geschichten, Spielszenen und private Filmaufnahmen, um sich komplexen Familienbeziehungen zwischen Taiwan und den USA zu nähern.

„Chinese Feeling Elsewhere“ bietet eine interessante Filmauswahl zu chinesischen Diasporen in Asien und eine große Palette von Kino, das sonst nur selten in Berlin auf der großen Leinwand zu sehen ist. Wem dieses Programm nicht reicht: Wang Zifei und He Lin sind Teil der Initiative CiLENS, die in den letzten beiden Jahren im Herbst jeweils ein kleines Festival zum unabhängigen Film aus China organisiert hat.

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