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Kinotipp der WocheDer süße Weg zu sich selbst

Ein aufsteigender Patissier, ein absteigender Unternehmer und ein Trip zu Fuß in die Normandie, das alles gibt es zur 23. Französischen Filmwoche.

Wer ist hier eigentlich wer? Fanny Ardant und John Malkovich in „Monsieur Blake zu Diensten“ Foto: © Ricardo Vaz Palma – Bidibul Productions

In Zeiten wie diesen, wo nur noch von Töten, Abschlachten, Vergewaltigen, Bombardieren die Rede ist, von Rassismus und Antisemitismus, die sich schneller ausbreiten, als man sich die Decke über den Kopf ziehen kann, tut es gut, dass die neue Ausgabe der Französischen Filmwoche, die vom 23. bis zum 29. November in verschiedenen Berliner Kinos läuft, so einiges im Angebot hat, das man ganz ohne Triggerwarnung zeigen kann und wo man sich keine Gedanken über seine mentale Gesundheit machen muss.

Gut, bei „Sterne zum Dessert“ von Sébastien Tulard muss der aufstrebende Süßspeisen-Zubereiter Yazid ein paar der Demütigungen über sich ergehen lassen, die in der gehobenen Gastronomie wohl ganz normal sind. Aber der Weg nach ganz oben ist nun mal oft hart, auch in der Nachtischzubereiter-Szene.

Ein komödiantisches Drama über den Aufstieg eines Patissiers kann es so wohl nur aus Frankreich geben. Ob man damit in Berlin, wo den meisten nach dem Hauptgang auch ein Wackelpudding für 39 Cent reicht, ein geneigtes Publikum findet, ist da wieder eine ganz andere Frage.

Die richtige Portion Kitsch

Kaum zu toppen in der Disziplin Harmlosigkeit ist wohl der Film „Monsieur Blake zu Diensten“ von Gilles Legardinier. Mit Fanny Ardant und John Malkovich stehen dem Regisseur gleich zwei meisterliche Charakterdarsteller zur Verfügung. Doch die irre seichte Geschichte, die hier erzählt wird, vermögen auch diese nicht auf ein höheres Niveau zu heben.

Das Filmfestival

23. Französische Filmwoche. Vom 23. bis zum 29. November im Cinema Paris, City Kino Wedding und in weiteren Berliner Kinos

Malkovich spielt den Butler Andrew Blake, der – wie soll man das denn anders nennen? – ein Niedrigstapler ist. Er landet auf dem einsamen Landhaus der Witwe Nathalie Beauvillier, schenkt der den Tee ein und bügelt ihre Zeitungen, ist aber in Wahrheit, und jetzt kommt’s: ein erfolgreicher Londoner Unternehmer, der nach dem Tod seiner Frau in einer Lebenskrise steckt.

Der falsche Butler hat in seinem neuen Job eigentlich nicht viel zu tun und deswegen umso mehr Zeit, um sich um sein neues direktes Umfeld zu kümmern. Etwa darum, die ewig schlecht gelaunte Haushältern und deren dicke Katze aufzumuntern. Überhaupt ist er wie ein Engel in Menschengestalt, der die ganzen zerbrochenen Seelen der Menschen, die ihm begegnen, wieder zusammenflickt.

Der Humor und die komödiantischen Szenen in diesem Film sind so hölzern, dass man es kaum aushält. Dazu kommt noch eine gehörige Portion Kitsch und es weihnachtet sogar irgendwann und man denkt sich in Bezug auf den Beginn dieses Textes: das ist genau der richtige Film, um den ganzen Scheiß im wirklichen Leben um einen herum zu vergessen.

Eindeutig mehr Drama, dafür aber auch hier beruhigenderweise garantiert keinen Mord und Totschlag, bietet „Auf dem Weg“ von Denis Imbert. Hier macht sich der Schriftsteller Pierre nach einem schweren Unfall auf, um 1.300 Kilometer lang einmal ganz Frankreich zu durchwandern. Von der Provence geht es bis hoch in den Norden in die Normandie.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Der Trip ist sein Weg, um sich nach dem traumatischen Unfall selbst neu zu finden. Seine Reise führt ihn durch berauschende Landschaften, er macht Zufallsbegegnungen und trifft endlich wieder Verwandte, die ihm eigentlich nah sind, die er aber aus den Augen verloren hatte.

Wer bin ich? Wer war ich? Wer werde ich sein? Das sind so die Fragen, die es für ihn zu beantworten gilt in einem Frankreich, das man so ursprünglich und berückend schön lange nicht mehr auf der Leinwand gesehen hat.

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