Kinoempfehlungen für Berlin: Immer diese Familie

In „Encanto“ muss ein kleines Mädchen die familiären Superkräfte retten. „Ohayo“ erzählt vom Streik von Kindern gegen den ohnmächtigen Vater.

Szene aus "Encanto"

„Encanto“ Foto: Disney

Im Kreis der späten Filme des japanischen Meisterregisseurs Yasujiro Ozu nimmt „Ohayo“ (Guten Morgen) eine gewisse Sonderstellung ein: Erzählen die anderen Filme Geschichten rund um die Abnabelung erwachsener Kinder von ihren Eltern, geht Ozu in „Ohayo“ (1959) noch einmal einen Schritt zurück und stellt junge Kinder in den Mittelpunkt der Handlung.

Dabei variiert er ein Motiv seines Films „Ich wurde geboren, aber…“ (1932), in dem ein Brüderpaar in einen Hungerstreik tritt, weil sie die Unterordnung ihres Vaters unter seinen Chef nicht begreifen. Dass der Sprechstreik, den die Kinder in „Ohayo“ initiieren, dem deutlich profaneren Wunsch nach Anschaffung eines Fernsehers entspringt, zeigt sehr schön den Wandel der Gesellschaft an, jenen Spagat zwischen Tradition und Moderne in der Nachkriegszeit, von dem Ozus Filme eben auch immer wieder erzählen.

Wichtig ist in „Ohayo“ auch das gesamte Nachbarschaftsumfeld der Familie und die Frage, wer denn nun eigentlich was von wem hält und warum. Der Tonfall ist dabei deutlich komödiantischer als in den eher von Melancholie geprägten anderen Spätwerken Ozus, die vom 21. Bis zum 30. Dezember im Kino Arsenal zu sehen sind (Om engl. U, 22. 12., 20 Uhr, Kino Arsenal)

Große Spezialisten in Sachen Familiengeschichten sind auch die Animationsfilmer von Disney. Egal, in welchen Gegenden dieser Welt sich die Prot­ago­nis­t:in­nen auch herumtreiben mögen, am Ende propagieren die großen Animationsfilme des Studios mit der Maus immer wieder die klassisch-traditionellen Familienwerte: Solange wir zusammenhalten, können wir gemeinsam alles erreichen.

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Das ist auch im Fall von „Encanto“ (Regie: Jared Bush, Byron Howard und Charise Castro Smith) nicht anders, denn hier ist die gesamte Geschichte bereits als Moralstück angelegt. Seit einer großen Notsituation ist in der Familie Madrigal aus Kolumbien je­de:r mit außergewöhnlichen Gaben gesegnet: von Superkräften bis zum Verständnis von Tierstimmen.

Nur Mirabel, die Enkelin der Matriarchin, die der Familie vorsteht, hat davon offenbar gar nichts abbekommen und leidet unter dem Gefühl irgendwie nicht gut genug für diese Wunderfamilie zu sein. Doch als der Zauber schwindet, ist sie mit ihrer Fähigkeit, die auseinanderdriftende Familie zusammenzuhalten, plötzlich die wichtigste Person.

Das ist – trotz flotter Musicalnummern und hübscher Einfälle rund um das verzauberte Heim der Familie – recht unverhohlen sentimental, also lieber noch vor Weihnachten anschauen, ehe man sich von allem, was mit Familie zu tun hat, lieber eine kleine Pause nimmt (16.-17. 12., 14.10 Uhr und 16.50 Uhr, 18.12., 14.10 Uhr, Kino in der Kulturbrauerei sowie in diversen weitere Multiplexkinos).

Das Gegenprogramm ist George A. Romeros meisterlicher Zombiefilm „Dawn of the Dead“: Nicht nur, dass die Zombies ihre Verwandten und Freunde hier stets zum Fressen gern haben, der Film passt auch so wunderbar in die vorweihnachtliche Shopping-Zeit in den überfüllten Konsumpalästen. Denn die Untoten stolpern buchstäblich ohne Sinn und Verstand in einer Shopping Mall herum, möglicherweise, wie jemand einmal vermutet, weil es ihnen in ihrem früheren Leben hier so gut gefallen hat.

Das Ganze ist großes Autorenkino im Gewand von Gore- und Splatter-Horror: eine sehr persönliche Sicht auf unsere Zivilisation, erzählt mit einem ordentlichen Schuss Ironie (OmU, 17.12., 16 Uhr, B-ware! Ladenkino).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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