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Kino in den USAGott ist mit den Preppern

US-Kino: Spielfilme mit rechten christlichen Botschaften – wie das apokalyptische Drama „Homestead“ – begleiten ideologisch die politischen Umbrüche.

Ob die Vorräte für seine Leute reichen? Ian Ross (Neal McDonough) und seine Frau Jenna (Dawn Olivieri) in „Homestead“ Foto: Kinostar

Wer noch über so archaische Technik wie einen Fernseher mit Kabelanschluss verfügt und gelegentlich der vergleichbar ­gestrigen Aktivität des Zappens nachgeht, kann dabei auf den Sender „Die neue Zeit TV“ stoßen. Dort spricht nachts oft eine Frauenstimme aus dem Off zu dilettantisch anmutenden Natur­aufnahmen unverständliche Sätze, die irgendwie religiös klingen.

Man könnte das für Realsatire halten, anscheinend sollen diese Beiträge aber „göttliche Offenbarungen“ wiedergeben. Auf der Webseite des Senders fasst dieser seine „Philosophie“ denn auch so zusammen: „Der TV-Sender Die neue Zeit TV läutet die neue Zeit ein. Menschen können wieder zu einer höheren Ethik und Moral finden und entsprechend handeln – und dies in allen Lebensbereichen: im Beruf, in der Kindererziehung, im Umgang mit Natur und Tieren, in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, sowie im täglichen Miteinander.“

Von einer ähnlichen „neuen Zeit“ erzählt, gleichfalls mit Gott im Gepäck, ein US-amerikanischer Spielfilm, der jetzt in Deutschland ins Kino kommt. „Homestead“ handelt von einer Apokalypse und einer neuen Welt, die danach von den Protagonisten aufgebaut wird.

Gott und Gesellschaft

Eine Frauenstimme aus dem Off gibt es ebenso, in diesem Fall gehört sie der Schauspielerin Dawn Olivieri. Was diese spricht, mag auf den ersten Eindruck weniger verwirrt klingen als bei dem religiösen TV-Sender. Wie Gott in ihrem Monolog für eine Umordnung der Gesellschaft bemüht wird, ist dafür umso gruseliger.

Der Film

Homestead. Regie: Ben Smallbone. Mit Neal McDonough, Dawn Olivieri u.a., USA 2024, 117 Min. Ab 10. 7. im Kino

„Homestead“ ist mit 8 Millionen US-Dollar Kosten eine eher kleine Produktion, der Regisseur Ben Smallbone hat ansonsten hauptsächlich Musikvideos gedreht, und Stars aus der ersten Reihe gibt es ebenfalls keine. Das Endzeitdrama mutet optisch und mit seiner hölzernen Schauspielkunst an wie eine durchschnittliche Fernsehserie. Für so eine dient der Film auch als Pilotfolge. Als „Homestead“ im vergangenen Dezember in den USA startete, waren schon zwei weitere Folgen verfügbar. Interessant daran ist vor allem der Erkenntnisgewinn, der sich aus dem Stoff ziehen lässt.

Produziert wurden Film und Serie vom US-amerikanischen Medienunternehmen „Angel Studios“. Die Firma in Utah entstand 2021 im Zuge der Insolvenz des Streamingdienstes Vidangel, der vor allem eine Zensurfunktion für unerwünschte Inhalte bietet, und wurde wie dieser von den Brüdern Neal und Jeff Harmon gegründet. Beide sind bekennende Mormonen.

Ein weiteres Erzeugnis von Angel Studios ist der Spielfilm „Bonhoeffer“ (2024), um den es eine Debatte gab. Er sei historisch ungenau und deute den pazifistischen Theologen Dietrich Bonhoeffer zum Anhänger des bewaffneten Widerstands um, so die Kritik. Dem Film wurde insbesondere vorgeworfen, dass er evangelikale Christen ermutige, mit Gewalt gegen den Staat vorzugehen.

Katastrophenfilm mit Atombombe

In genau diese politische Richtung zielt „Homestead“. Er beginnt zunächst wie ein gewöhnlicher Katastrophenfilm. Ein terroristischer Anschlag mit einer schmutzigen Atombombe verstrahlt große Teile Kaliforniens, Chaos bricht aus, die Menschen flüchten. Parallel legt ein flächendeckender Stromausfall die Ostküste der USA lahm. Eine Familie in Los Angeles ist zu sehen, wie sie in aller Eile mit dem Tesla aus dem großzügigen Eigenheim flieht, eine weitere, in einem bescheideneren Haus wohnend, bricht zur gleichen Zeit auf. Beide haben dasselbe Ziel: Homestead.

Hinter diesem Wort, das sowohl „Heimstätte“ als auch „Gehöft“ bedeuten kann, verbirgt sich das riesige Anwesen von Ian Ross (Neal McDonough). Dieser Ross wird als stechend blauäugiger Edel-Prepper inszeniert, der sich eine kleine bewaffnete Truppe als ­Sicherheitsdienst hält, Getreide, Obst und Gemüse anbaut, Viehwirtschaft betreibt und noch Generatoren und weitere Dinge installiert hat, um sich und „seine Leute“ nach dem großen Zusammenbruch versorgen zu können.

Wie in den wirklichen USA ist es eine Kritik an den korrupten Eliten, die aus der Perspektive einer ökonomischen Elite geübt wird

Der Film begleitet die Bewohner dieser „Heimstätte“ auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit, mit den unausweichlichen Hindernissen, die in Krisengeschichten auftauchen. Der nicht minder blauäugige Sicherheitsexperte Jeff (Bailey Chase), der früher beim Militär war und mit seiner Familie angereist ist, vermutet sofort von überall her Feinde im Anmarsch. Gemeint sind hungrige Zivilisten, die auf der Suche nach Essen sind.

Die Anlage wird fortan gesichert, sogar sein Teenagersohn Abe (Tyler Lofton) muss mit dem Gewehr Wache halten. Als dieser versehentlich einen bewaffneten Jäger erschießt, der vermutlich nichtsahnend an der grünen Grenze des Terrains Hausfriedensbruch begangen hat, beginnt das Selbstverteidigungskonzept brüchig zu werden.

Antwort auf alle Probleme liegt in Gott

Die Lösung für die bedrohte Feste bringt schließlich die Ehefrau von Ian Ross, Jenna (Dawn Olivieri). Als ihr Mann von einem Projektil verletzt wird und mehrere Tage ohne Bewusstsein ist, findet sie die Antwort auf alle Probleme in Gott. Statt, wie ihr Mann, hochzurüsten und verbissen die knapper werdenden Vorräte zu zählen, holt sie die überschaubare Zahl an friedlich vor dem Tor wartenden Menschen ­hinein.

Und siehe da, deren Fähigkeiten lassen sich sogar nutzen, um den Ertrag an Lebensmitteln zu erhöhen, sodass es für alle reicht. Die wundersame Brotvermehrung lässt grüßen.

Gut, und wo ist das Problem, könnte man fragen? Homestead schildert keinen Weg der Befreiung aus einem paranoiden Besitzstandswahren, das mit Waffen verteidigt wird, hin zur frohen Botschaft der Liebe, gegen die im Zweifel ja gar nichts einzuwenden wäre. Das Neue, das stattdessen angekündigt wird, gehört zum ideologischen Arsenal der christlichen Rechten. Am deutlichsten kommt dies in der Eskalation der Geschichte zum Vorschein.

Verlogenheit des Drehbuchs

Zugleich offenbart sich darin die Verlogenheit des Drehbuchs. So stammt die fast tödliche Kugel, die Ian trifft, aus der Pistole eines Regierungsbeamten, Blake Masterson (Currie Graham), der die Festung mit ihren Bewohnern als nicht angemeldete Versammlung weitgehend räumen lassen will. Der Verlauf der Handlung legt nahe, dass es ihm jedoch um die gehorteten Vorräte geht.

Da der Film in Kalifornien spielt, ist zu vermuten, dass es sich bei dem schussfreudigen Masterson um einen Vertreter der Demokratischen Partei handelt. Das Misstrauen gegen das politische Establishment, das von christlichen Fundamentalisten und Republikanern gleichermaßen geschürt wird, verdichtet sich so, ganz im Sinne der MAGA-Bewegung, in dieser Figur. Und wie in den wirklichen USA ist es eine Kritik an den „korrupten Eliten“, die aus der Perspektive einer ökonomischen Elite geübt wird.

In der Realität entsprächen dem die Tech-Milliardäre des Silicon Valley. Man stelle sich Ian Ross zum Beispiel als Verkörperung des rechts-­libertären Unternehmers Peter Thiel vor.

Als Vorlage für „Homestead“ diente der Roman „Black Autumn: A Post-Apocalyptical Saga“ des Kriegsveteranen Jeff Kirkham und des Preppers Jason Ross. Erschienen ist das Buch 2018 im Verlag „Defiance Press“, der laut Nachrichtendienst Bloomberg vor allem zu den Themen „Gott, Land, Freiheit und Konservatismus“ veröffentlicht.

Verleger ist „Aktivist für konservative Sache“

Dessen Verleger David Thomas Roberts bezeichnet sich selbst als „politischen Aktivisten für die konservative und libertäre Sache“. (Er ist im Übrigen nicht mit dem Ragtime-Komponisten gleichen Namens zu verwechseln, auf den die ­Wikipedia-Seite zu Defiance Press irrtümlich verlinkt.)

Homestead spielte an den Kassen bisher rund 21 Million US-Dollar ein. In Deutschland wird er vom unabhängigen Verleih „Kinostar“ in die Kinos gebracht. Der Film „beleuchtet die Herausforderungen des Zusammenlebens unter extremen Bedingungen und stellt moralische Fragen über Führung, Vertrauen und den Preis des Überlebens“, heißt es vage in der Pressemitteilung. Wer ein intelligentes Endzeit-Gedankenspiel erwartet, kann allerdings bloß enttäuscht werden.

Kinostar brachte von Angel Studios zuvor schon Bonhoeffer und den Animationsfilm „König der Könige“ in Deutschland heraus, vier weitere Produktionen folgen allein dieses Jahr. Auf Nachfrage antwortete der Verleih, man sehe den Film Homestead „nicht als politisches Statement“. Die enge Zusammenarbeit mit Angel Studios erfolge „auf filmischer, nicht politischer Basis“.

„Wir schufen etwas Neues“

Mit seiner „Wahrheit“ rückt Homestead übrigens erst gegen Ende so richtig heraus. Wobei „richtig“ relativ zu verstehen ist. Denn die Wahrheit bleibt euphemistisch verbrämt. Als der Konflikt der Geschichte sich zu legen beginnt, kündigt Jenna aus dem Off an: „Nachdem das große Versprechen unserer Nation zerbrochen war, schufen wir etwas Neues.“

Wie das aussehen könnte, umreißt eine Meldung, die der Deutschlandfunk vor gut einem Monat veröffentlichte: „Evangelikale Bewegungen wie die ‚Neue Apostolische Reformation‘ wollen eine christliche Vorherrschaft in den USA: statt Demokratie und Rechtsstaat eine christlich-fundamentalistische Autokratie. Ihr Einfluss reicht bis ins Weiße Haus.“

Homestead. Regie: Ben Smallbone. Mit Neal McDonough, Dawn Olivieri u.a., USA 2024, 117 Min. Ab 10. 7. im Kino

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