piwik no script img

Kindschaftsrecht auf der Kippe

Morgen berät der Bundesrat die Reform des Kindschaftsrechts. Die Länder wollen bei Streitigkeiten ums Sorgerecht nicht für den „Anwalt des Kindes“ bezahlen  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Der „Meilenstein“ droht zu kippen. Das vielgelobte neue Kindschaftsrecht, das die Sorge für Kinder von geschiedenen und unverheirateten Paaren modernisieren soll, könnte an finanziellen Bedenken der Länder scheitern. Morgen entscheidet der Bundesrat, ob der Vermittlungsausschuß angerufen wird.

Ende Juni hatte der Bundestag mit großer Mehrheit das neue Kindschaftsrecht angenommen. Union, FDP und große Teile der SPD stimmten dafür. Kern der Reform ist die Neuregelung des Sorgerechts. Nichtverheiratete Eltern sollen künftig per einfacher Erklärung gegenüber dem Jugendamt die gemeinsame Sorge für ihre Kinder übernehmen können. Nur wenn einer der beiden Elternteile es beantragt, muß nach einer Scheidung das Familiengericht eingreifen. Dieser Reform muß nun allerdings noch der Bundesrat zustimmen.

Und dort gibt es quer durch die parteipolitischen Lager Kritik an einem bisher unbeachteten Punkt der Reform. Es geht um die Möglichkeit, dem Kind in bestimmten Gerichtsverfahren einen eigenen Verfahrenspfleger („Anwalt des Kindes“) zuzuordnen. Gedacht ist an Sorgerechtsstreitigkeiten, aber auch die Einweisung von Kindern in ein Heim oder die Herausnahme aus einer Pflegefamilie.

Der „Anwalt des Kindes“ soll dafür sorgen, daß bei Interessenskonflikten die eigenständigen Interessen des Kindes zur Geltung kommen. Der Verfahrenspfleger muß kein Jurist sein, auch Psychologen, Lehrer oder Verwandte könnten mit dieser Aufgabe betraut werden. Entscheiden soll jeweils der Richter, ob dem Kind ein Verfahrenspfleger zugeordnet wird. Pro Verfahren entstünden dadurch Kosten von einigen hundert Mark.

Das nordrhein-westfälische Justizministerium rechnet pro Jahr mit finanziellen Folgelasten von rund 20 Millionen Mark allein für dieses Bundesland. „Das sind doch Horrorzahlen“, entgegnet Margot von Renesse, Familienrechtsexpertin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie hält den zusätzlichen Finanzbedarf für „viel niedriger“. „Notwendig ist ein Verfahrenspfleger für das Kind doch nur dann“, so von Renesse. „wenn bei den Eltern die Liebe zu ihrem Kind überhaupt keine Rolle mehr spielt, das Jugendamt befangen ist und der Richter selbst zuwenig Erfahrung mit Kindern hat.“ Dies sei nur in etwa jedem hundertsten Sorgerechtsverfahren der Fall.

Die Länder bleiben mißtrauisch. Sie verweisen darauf, daß heute schon in Extremfällen ein „Ergänzungspfleger“ für das Kind bestellt werden kann. Der Rechtsausschuß des Bundesrats hat empfohlen, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Morgen wird die Länderkammer endgültig entscheiden. Aufgelistet haben die Ausschüsse im übrigen auch noch einige andere Kritikpunkte: So soll die Pflicht zur „gewaltfreien“ Erziehung deutlicher im Gesetz verankert werden. Hiermit konnte sich aber schon die SPD im Bundestag nicht durchsetzen.

Sollte es zu einem Vermittlungsverfahren kommen, dürfte wohl der kostenträchtige „Anwalt des Kindes“ zum Knackpunkt werden. Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) hofft, daß die Rechtspolitiker des Bundes an dieser Frage fraktionsübergreifend hart bleiben werden. „Und dann soll der Bundesrat der Bevölkerung erklären, warum er wegen dieses Problems alle Vorteile der Kindschaftsrechtsreform aufgeben will“, so ein Justizsprecher gestern in Bonn. Der Streit ist schon deshalb pikant, weil mit Peter Caesar der Wortführer auf seiten der Länder ebenfalls ein FDP-Justizminister ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen