Kindesmisshandlung in Hamburg-Altona: Baby liegt im Sterben
In Hamburg schwebt ein Kleinkind in Lebensgefahr, auf das die Behörden schon aufmerksam geworden waren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
„Wir haben die Jugendhilfeinspektion beauftragt, den Fall zu überprüfen“, sagt Martin Roehl, Sprecher des Bezirksamts Hamburg-Altona. Er bestätigt einen Bericht der Bild.de, wonach eine sozialpädagogische Familienhilfe das Kind noch einen Tag zuvor besucht und blaue Flecken in seinem Gesicht gesehen und dokumentierte hatte – aber nicht dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) gemeldet.
Der kleine Junge soll nach taz-Informationen im August schon einmal mit Verletzungen ins Kinderkrankenhaus Altona eingeliefert worden sein. Damals sollen Rechtsmediziner des Kinderkompenzzentrums am UKE den Fall untersucht und den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung festgestellt haben. Das Baby soll daraufhin vom ASD in Altona in Obhut genommen sein, wurde aber im Oktober wieder der jungen Mutter zurück gegeben – unter der Auflage, dass dreimal wöchentlich eine Familienhelferin nach dem Kind sieht. Beim Träger dieser Hilfe soll es sich um das Rauhe Haus handeln.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Mutter des Kindes und ihren Lebensgefährten, prüft dabei aber auch ein mögliches Versagen der beteiligten Institutionen. Erst vor zwei Jahren war in Hamburg-Billstedt die dreijährige Yagmur an den Folgen schwerer Misshandlungen gestorben, obwohl sie seit Geburt unter Aufsicht des Jugendamtes stand. Die Mutter wurde im November 2014 zu einer – noch nicht rechtskräftigen – lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes verurteilt, der Vater rechtskräftig zu viereinhalb Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Der Fall hatte einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Folge, dessen Abschlussbericht zahlreiche Fehler der Behörden im Umgang mit dem Kind darlegte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte auch gegen Mitarbeiter des Jugendamtes, wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen und Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht. Sie stellte die Verfahren im Sommer dieses Jahres jedoch ein, da eine Strafbarkeit der Mitarbeiter nicht festgestellt werden konnte. „Yagmur wäre möglicherweise auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Jugendamtsmitarbeiter im Haushalt der Eltern misshandelt und getötet worden“, resümierte die Staatsanwaltschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja