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Kinderschutz nach LügdeDer Fehler liegt im System

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Der Abschlussbericht zum Missbrauchsskandal von Lügde gibt vernünftige Empfehlungen. Sie reichen aber nicht aus, um Behördenversagen zu verhindern.

Schweigeaktion in Hameln für die „Kinder von Lügde“ im März 2019 Foto: Christophe Gateau/dpa

G eht es um Kinderschutz, dann ist „Lügde“ mittlerweile zum geflügelten Wort geworden: Darf sich nicht wiederholen. Muss daraus gelernt werden. 2019 wurde bekannt, dass auf einem Campingplatz in dem nordrhein-westfälischen Ort Kinder über Jahre sexuell ausgebeutet worden waren. Einer der Haupttäter wurde, trotz mehrerer Warnhinweise, vom zuständigen Jugendamt zum Pflegevater für ein kleines Mädchen aus Niedersachsen bestellt.

Zwar bescheinigten Ermittlungen den JugendamtsmitarbeiterInnen später kein strukturelles Versagen, sondern „nur“ schwere Fehler. Doch spätestens seit dem „Gartenlaubenskandal“ von Münster, wo das Jugendamt ebenfalls eine krasse Fehleinschätzung traf hinsichtlich der Gefahr, die Kindern im familiären Umfeld drohte, ist klar: Der Fehler liegt (auch) im System, in den Behörden.

Eine Expertenrunde aus Niedersachsen hat nun die Abläufe in Jugendämtern untersucht; am Mittwoch legte sie ihren Abschlussbericht vor. Ihre 44 Vorschläge an die niedersächsische Landesregierung klingen so vernünftig wie banal: Jugendämter benötigten speziell für den Umgang mit jungen Menschen und für die Kinderschutzarbeit geschulte Fachkräfte. Es müsse sichergestellt werden, dass diese auch bei jeder Gefährdungsbeurteilung hinzugezogen werden. Durch Fort- und Weiterbildungen könne dem Fachkräftemangel begegnet werden.

In den Ämtern müsse ferner eine Kultur etabliert werden, in der es möglich sei, getroffene Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Schließlich müsse die Zusammenarbeit mit Polizei und Jugendgerichten institutionalisiert werden, im Sinne einer „Verantwortungsgemeinschaft“.

All diese Vorschläge sind wichtig. Sinnvoll ist auch, dass der niedersächsische Landtag bei den Empfehlungen nicht haltmacht, sondern eine Enquetekommission für mehr Kinderschutz eingesetzt hat. Doch statt über einzelne Behördenstrukturen in den Ländern zu diskutieren, wäre eine flächendeckende Qualitätsoffensive, ja eine Reform nötig, inklusive einer zentralen Kindeswohlstelle. Für jedes Bundesland.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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1 Kommentar

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  • Das stimmt und ist wichtig.



    Man könnte es auch so sagen: Wie bei der Polizei, wie bei Rechtsanwälten, wie bei Lehrern wäre es wichtig, dass es für alle Jugendamtsmitarbeiter*innen verpflichtende Mindeststandards in der Ausbildung und vielleicht auch eine staatliche Prüfung gibt. Diese muss auch den Themenkomplex Kindeswohlbeurteilung enthalten.



    Es gibt viel, viel Wissen dazu, meine Mutter (Diplom-Psychologin) ist mit anderen Kolleginnen jahrelang von einem Jugendamt zum anderen "weitergereicht worden" und hat Fortbildungen zu dem Thema angeboten. Es war immer so, dass die Mitarbeiter total dankbar waren, dass sie endlich brauchbares Werkzeug für ihre tägliche Arbeit bekommen haben. Viele haben bis dahin "nach Gefühl" geurteilt, ist das vorstellbar?! Der ganze Themenkomplex ist in vielen Regionen einfach nicht Teil der Ausbildung!