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Kinderfilm „Winnetous Sohn“Der rote Patchwork-Bruder

Winnetous Sohn“ erzählt von der Wiedergeburt des Kriegers. Es geht um kryptische indianische Weisheiten, autoritäre Pappfiguren und einen ganz großen Wunsch.

Lebt auf, wenn er Federschmuck und Kriegsbemalung trägt: Max (Lorenzo Germeno). Bild: Stefan Erhard/Kinderfilm

BREMEN taz | „Winnetou darf nicht sterben!“, ruft ein kleiner Junge, da führt das Freilichttheater gerade „Winnetou 3“ auf, letzter Akt. Der Junge aus dem Publikum aber weint, und die anderen Zuschauer stimmen so ergriffen mit ein, dass der Darsteller von Old Shatterhand den schon leblos vor ihm liegenden Bühnen-Winnetou fragend ansieht. Und der? Schlägt die Augen wieder auf – ganz großer Applaus.

Es war ein prägender Moment im Leben von Max (Lorenzo Germeno), der da als Rückblende zelebriert wird und zugleich Filmgeschichte zitiert: Auch Horst Wendland, Produzent der Karl-May-Verfilmungen in den 60er-Jahren, bekam den Zorn des Kinopublikums zu spüren, als er Pierre Brice, Pardon, Winnetou sterben ließ: in Form von wütenden Briefen und, ja, Buhrufen. Wendland ließ dann einfach eine Reihe weiterer Filme drehen.

Diese Filme gehören aber nicht zu Max’ Sozialisation. Aber der Junge eifert von klein auf seinem Vater nach, der sich in seiner Freizeit regelmäßig in einen stolzen Häuptling mit riesigem Federschmuck verwandelte. So erinnert der Film eher an die Freizeitindianerkultur in der DDR, wo viele übers Wochenende in ihre Tipi-Dörfer zogen, als edle Wilde verkleidet von Freiheit und Abenteuer träumend. Ein Überbleibsel ist das kleine Ferienlager mit Zelten, Ponys und Marterpfahl, in dem der zehnjährige Max mit Indianerkostüm und Kriegsbemalung so richtig auflebt. Er ist zwar etwas pummelig, aber ein derart guter Krieger, dass er sich ganz selbstverständlich „Häuptling“ nennt.

Kryptische indianische Weisheiten

Dies sieht auch die Leiterin des Camps, Evi, sofort ein, die fast nur kryptische indianische Weisheiten von sich gibt. Katharina Marie Schubert spielt sie als eine Glucke mit warmen Lächeln und glänzenden Augen, und sollten nach dem Besuch von „Winnetous Sohn“ Kinder von ihren Eltern verlangen, auch in so ein Camp geschickt zu werden, dann ist das ihr zu verdanken.

Eltern hat Max auch, geschieden und ein wenig chaotisch. Die Mutter muss viel arbeiten und hat einen afroamerikanischen Freund, den Max Bleichgesicht nennt; der Vater ist Musiker und will nicht recht erwachsen werden. So muss sich Max auch ein wenig an typischen Familienkonflikten abarbeiten.

Wichtiger aber ist für Regisseur André Erkau, dass Max unbedingt „Winnetous Sohn“ werden will. Diese Rolle muss bei den Karl-May-Festspielen gerade neu besetzt werden, denn die erste Wahl ist aus dem Sattel gefallen, und Max macht sich auf, denn er will sie unbedingt spielen. Doch im Freilichttheater haben Uwe Ochsenknecht als Regisseur in Generalsuniform und Armin Rohde als Sheriff, der seine Rolle ein wenig zu ernst nimmt, das Sagen. Ein wenig zu rumpelig spielen beide ihre autoritären Pappfiguren. Mit ihren Grimassen wirken sie wie Fremdkörper in einem Film, der Erwachsene zwar ein wenig peinlich, aber doch glaubwürdig und liebevoll zeichnet.

Wie ein Western

„Winnetous Sohn“ beginnt wie ein Western: mit einer Schlinge um den Hals des Häuptlings der Apachen, der von seinem heranreitenden Sohn gerettet werden soll. Dann unterbricht ein klingelndes Handy die Szene, die sich als eine Theaterprobe entpuppt. Gerne ironisiert Erkau solche Westernmotive durch moderne, möglichst alltägliche Elemente.

So wird auch eine Gang von Revolverhelden zu einem Trio frecher Mädchen auf Kinderfahrrädern, die darüber lästern, dass Max’ Blutsbruder noch nicht Rad fahren kann. Dieser beste Freund, der Old Shatterhand zu seinem Winnetou, ist ein Grufti namens Morten (Tristan Göbel), der nur Schwarz trägt, Katastrophenberichte sammelt und Indianerspielen übrigens doof findet.

Das große Abenteuer, bei dem Max zeigen muss, dass er eine echte Indianerseele hat, ist denn auch keine Bärenjagd und kein Duell, sondern – ein Casting. Max muss mit anderen Kindern reiten, mit Pfeil und Bogen schießen und den Text auswendig lernen. Vor allem muss er aber das Manko wettmachen, dass er ein dicker, blasser, kleiner Junge mit Brille ist. Wie alle guten Kinderdarsteller scheint der zehnjährige Lorenzo Germeno noch ohne jede Berechnung und Anstrengung zu spielen, und seine Begeisterung ist fast deckungsgleich mit der seiner Figur.

Fußt auf einem Originalstoff

Für Publikum zwischen sechs und zwölf Jahren werden in Deutschland fast nur Adaptionen bekannter Vorlagen oder Fortsetzungen von Erfolgen wie „Die Wilden Kerle“ produziert. Dagegen fußt „Winnetous Sohn“, als Koproduktion der Kinderfilm GmbH sowie des ZDF und des Kinderkanals an Originalschauplätzen in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt gedreht, auch auf einem Originalstoff.

Es ist der erste Film, den die Förderinitiative „Der Besondere Kinderfilm“ – dahinter stehen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die Filmwirtschaft sowie die Fördergremien des Bundes und mehrerer Bundesländer – von der Drehbuchentwicklung bis zur Vermarktung unterstützt hat. Ist das Konzept nun aber bestätigt oder gescheitert, wenn in ein paar Jahren „Die Rückkehr von Winnetous Sohn“ in die Kinos kommt?

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