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Kinderbauernhof in Alt-GroßziethenDer Anti-Antifa-Bauernhof

Ein Verein droht Mitgliedern mit Kündigungen, wenn sie sich auf dem Gelände politisch äußern. Nach Kritik daran wird einem Pferdeprojekt gekündigt.

Antifa-Shirts sind auf dem Kinderbauernhof nicht erlaubt Foto: Xose Bousaz

Berlin taz | Auf dem Kinderbauernhof „Ilse Reichel“ in Alt-Großziethen tummeln sich Hühner, Bienen, Katzen, Schafe, Ziegen, Esel und vor allem Pferde. Unweit des Berliner Flughafens hat man es sich zur Aufgabe gemacht, einen Wohlfühlort für Mensch und Tier zu sein. Kinder werden in die Betreuung der Tiere mit eingebunden und sollen so Verantwortung, Teamgeist und den respektvollen Umgang mit Tieren erlernen, heißt es auf der Website des Kinderbauernhofs. Auch ein Verein für therapeutisches Reiten ist auf dem Gelände ansässig. Das Pferdeprojekt Förderverein für Mensch & Tier e. V. bietet pferdegestützte Therapien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

Mit Grundsätzen wie „füreinander dasein“ und „Verantwortung übernehmen“ wirbt der Trägerverein des Kinderbauernhofs, der Eltern-Kinder-Kreis Gropiusstadt Nord e. V, auf der Website, aber auch „Demokratie lernen“. Politische Meinungsäußerungen jedweder Form will der Vorstand des Trägervereins jedoch vom Areal des Kinderbauernhofs verbannen.

Das geht aus einer internen E-Mail des Vorstands an die Mitglieder des Vereins hervor, die der taz vorliegt. Darin heißt es, man dulde „politische Meinungsäußerungen, Propaganda und/oder Symbole“ nicht, „ob durch Kleidung, Verhalten, Gespräche, etc.“. Dies gelte für Mitglieder sowie „Nichtmitglieder“, also Besucher:innen. Wer sich nicht an die entsprechende Vorgabe hält, dem könne die Kündigung von Verträgen, ein Ausschluss aus dem Verein, von Veranstaltungen oder ein Hausverbot drohen.

Kleidung mit politischen Botschaften sorgen bekanntermaßen immer wieder für Diskussionen, so auch in diesem Fall: „Leider mussten wir feststellen, dass während des Sommerfestes (…) einige Mitglieder bzw. Unterstützer des Vereins Kleidung mit politischen Botschaften getragen haben“, heißt es in der internen E-Mail des Vorstands des Trägervereins. Auslöser für die Mail sind T-Shirts mit den Aufschriften „Alle meine Freunde hassen die AfD“ und „FCK ich bin ja kein Nazi aber …“, die auf Vereinsfesten getragen wurden.

Das Verbot rechtfertigt der Vorstand des Kinderbauernhofs in der Mail an die Mitglieder auch mit Verweis auf das Grundgesetz. Zwar habe je­de:r das Recht auf freie Meinungsäußerung, allerdings fänden diese Rechte „ihre Schranken (…) zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“, heißt es in der Mail an die Mitglieder. Zudem sei in der Vereinssatzung festgelegt, dass der Verein „parteipolitisch und konfessionell neutral“ sei.

Mitglieder wehren sich

Nun formiert sich intern Protest. Aus Sorge, zur Zielscheibe zu werden, wollen die Mitglieder des Vereins jedoch nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen. „Anstatt Meinungsfreiheit zu respektieren, wird hier versucht, Stimmen zu kontrollieren und kritisches Denken kleinzuhalten“, sagt ein Mitglied der taz. Es mache Angst, dass rechte Politik zunehmend in alle Lebensbereiche eingreife „und unter dem Deckmantel der Neutralität ein Klima geschaffen wird, in dem Vielfalt und freie Haltung keinen Platz mehr haben“. Wer so handele wie der Vorstand des Kinderbauernhofs, stelle sich „nicht auf die Seite der Demokratie, sondern schwächt sie“, so das Mitglied.

Ein weiteres Mitglied, das ebenso anonym bleiben möchte, sagt der taz: „Es entsteht der Eindruck, dass gesellschaftskritische Meinungen vom Verein nicht erwünscht sind“. Der Vorstand sei damit „weit übers Ziel hinausgeschossen“. Kritische Stimmen würden unter „fadenscheiniger Rechtsauslegung unterdrückt“. Eine Rücknahme des Verbots sei wünschenswert, so das Mitglied.

Darüber, dass sich „einige Mitglieder“ eine Rücknahme des „Verbotes politischer Äußerungen“ wünschen, will der Vorstand nichts wissen. Zutreffend sei, dass „zwei Mitglieder (…) Kommunikationsbedarf mit dem Vorstand angemeldet haben“, heißt es in der Antwort des Vorstands auf eine taz-Nachfrage. Der Vorstand des Eltern-Kinder-Kreises Gropiusstadt Nord e. V. beharrt auf den angebrachten Argumenten und sieht sich im Recht: In der Antwort heißt es, die Mehrheit der Mitglieder habe sich gewünscht, dass er seine „satzungsgemäßen Aufgaben“ wahrnehme. Den Vorwurf, dass man mit dem Verbot „gesellschaftskritische Meinungen“ unterdrücke, weist der Vorstand zurück. Auf rechtsextreme Verhaltensweisen eines Mitglieds habe man in der Vergangenheit „genauso bzw. noch deutlicher“ reagiert.

Symbole sind von der Meinungsfreiheit gedeckt

Doch ist eins solches Verbot auf einem Vereinsgelände überhaupt rechtlich zulässig? Mit Blick auf die angesprochenen Symbole stellt Lukas Theune vom Republikanischen Anwaltsverein fest, diese seien „selbstverständlich von der Meinungsfreiheit gedeckt“. Theune hält das Vorgehen des Vereins für „absolut unzulässig“. Etwaige politische Botschaften dürften nicht zur Grundlage von Sanktionen gemacht werden. Die Behauptung, man habe in der Vergangenheit auch etwas gegen rechtsextremes Verhalten gemacht“, sei „selbstverständlich nicht geeignet, die Meinungsfreiheit der Mitglieder einzuschränken“, sagt Theune.

Dieser Einschätzung schließt sich auch der Rechtsanwalt Michael Röcken mit Schwerpunkt Vereinsrecht an. Zwar könne ein Verein im Rahmen seines Hausrechtes auf bestimmte Verhaltensweisen hinweisen und Gäste des Vereinsgeländes bei Verstößen verweisen. Problematisch werde es jedoch, „wenn diese ‚Verstöße‘ Ausdruck der Meinungsfreiheit sind“. Für die entsprechenden T-Shirts treffe das allerdings zu.

Nach interner Kritik scheint die Situation auf dem Gelände zu eskalieren. Dem auf dem Gelände ansässigen Pferdeprojekt für therapeutisches Reiten werden Ende September Koppel, Weide, Reithalle und Räumlichkeiten mit einer sechsmonatigen Frist ohne Angabe von Gründen gekündigt.Das Pferdeprojekt hatte nach taz-Informationen erst Anfang September das Verbot in einer internen Mail an den Vorstand des Kinderbauernhofs stark kritisiert.

Einen Zusammenhang weist der Vorstand des Kinderbauernhofs von sich und rechtfertigt die Kündigung damit, dass das Pferdeprojekt „schon seit längerer Zeit konkrete Trennungsabsichten“ hege. Das betroffene Pferdeprojekt wollte sich auf taz-Anfrage dazu in der Zeitung nicht äußern, wohl auch, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Das Pferdeprojekt sucht derweil bereits nach einem neuen Gelände für ihre Tiere. Bis April müssen sie das Gelände räumen.

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12 Kommentare

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  • Das ist keine Beschränkung der Meinungsfreiheit; die Nutzer können ihre Meinungen schließlich weiter haben und niemand stößt sich daran. Der Betreiber hat aber natürlich das Recht, auf seinem Gelände die Äußerung dieser Meinung zu untersagen. Das sind zwei Paar Schuhe.



    Im übrigen stört mich wieder das offensichtliche Messen mit zweierlei Maß: Ginge es darum, daß Nutzer wegen T-Shirts mit rechtem Inhalt kritisiert worden wären, hätte der Autor dies mit Sicherheit gut und richtig gefunden. Ich hätte ihm da sogar zugestimmt. Aber es muß eben auf der linken Seite auch gelten.

  • Gegen den Vorwurf, gesellschaftskritische Meinungen zu unterdrücken, argumentieren sie mit dem Hinweis, sie hätten auch auf rechtsextreme Verhaltensweisen so reagiert. Sind denn rechtsextreme Haltungen nicht gesellschaftskritisch? Dann würde ich daraus schließen, dass man der Meinung ist, rechts ist gesellschaftskonform. Schade.

  • Über den Beitrag eines Vereinsmitgliedes musste ich Schmunzeln. Er unterstellt der Führung Unterdrückung von Meinungen, möchte aber nicht dass sich Andersdenkende breit machen. Getreu dem Motto: Meinungsfreiheit ja, aber nur meine.

  • Ganz ehrlich?



    Politische Indoktrination jedweder Art hat auf einem Kinderbauernhof nichts zu suchen.



    Verschont die Kids mit dieser peinlichen 'FCK AFD' und 'Nazis raus!'-Scheisse.

  • Hier ist mal wieder ein Beispiel wie Eltern den Spaß den Kinder rauben! Kinder interessiert Politik nicht und wollen Spaß mit den Tieren haben, dafür braucht man keine Politik! Hier wird von den Eltern ein Fas aufgemacht, was nur den Kindern schadet

    • @Marcelo:

      Alles was wir machen ist ein Ausdruck politischer Ansichten. Ihr Kommentar übrigens auch...

      • @Erwin1.:

        Mann kann wie Sie alles politisieren und man kann es auch sein lassen wo es sich gehört. Wenn Kinder auf einem Hof mit Tieren ihren Spaß haben wollen und auch sollen muss man nicht anfangen die Kinder politisch in irgendwelchen Ecken zu stellen.

    • @Marcelo:

      Als Kind erlaubte mir mein Vater den Spaß mit einem Goldfisch im Glas. Spaß mit Pferden war noch nicht denkbar. Als ich schon in die Schule ging, pflegte er zu sagen: Politik verdirbt den Charakter. Später im Leben fragte ich mich immer öfter, was er, der doch im 1000jährigen Reich bei der Partei gewesen war, damit hatte sagen wollen - und ich wurde zwar kein Politiker, aber immerhin ein politisch (nach)denkender Mensch, gewissermaßen meinem Vater zum Trotz.

      Es kann der Dümmste bei den Kindern



      "Politisches" doch nicht verhindern.

      Mit Tieren haben sie oft Spaß.



      da reicht ein Goldfischlein im Glas.

      Doch wenn die Eltern wenig sagen,



      dann stellen sich den Kindern Fragen...

      Denn jeder Mensch ist immer schon



      zoon politicon.

      • @Auweiowei:

        Ihre Aussage geht am Thema vorbei. Wie ihre und meine Kindheit war und was wir hatten und die Kinder heute spielt keine Rolle in dieser Diskussion

    • @Marcelo:

      Wow, wie kann man den Artikel nur so interpretieren, traurig!

      • @shark49:

        Den Artikel anders zu interpretieren ist traurig und zeigt nur! Eltern geht es nur um ihre politische Gesinnung und Meinung und nicht hat mein Kind Spaß mit anderen Kindern und den Tieren und daran erfreue ich mich als Eltern. Dem Kind interessiert nicht kommt das Kind womit ich spiele aus einem linken oder rechten Elternhaus.

      • @shark49:

        Wie den sonst ?

        Scheinbar halten Erwachsene ihre persönliche politische Meinung für so wichtig, sich über Regeln hinwegzusetzen und den Raum für Kinder zu politisieren und damit die kindliche Unschuld zu nehmen.

        Dafür gibts genug Orte.



        Lasst die Kinder Kinder sein und lasst ihnen verdammt nochmal Orte des „kindlichen Friedens“

        Und wenn es euch so wichtig ist: kapert kein anderes Projekt, sondern macht ein eigenes!

        Ich habe keinen Bock auf dem Fußballfest / Schwimmfest etc derartige Diskussionen zu haben bzw vom Zaun zu brechen. Das ist der Ort der Kinder und wir Erwachsenen haben da verdammt nochmal die Pflicht den Kindern einen unschuldigen Raum zu lassen und genau an den Orten prallen all Welten aufeinander.

        Wie oft Sitz ich mit Mamis irgendwo , mit denen ich 0 gemein habe und wo ich auch vieles unkommentiert lasse dem Frieden Willen. Warum? Wegen der Kinder, weil die was gemeinsam mache wollen. Und da heißt es: eigene Interessen auch mal hintenanstellen und die der Kinder voranstellen insoweit es vertretbar ist