Kinder in der Coronakrise: Die Schadensliste ist lang
Kinder sind die Hauptleidtragenden der Coronapandemie, sagen Fachleute der Gesundheitsministerien. Es drohten Lerndefizite und häusliche Gewalt.
„Kinder und Jugendliche zählen neben den medizinischen Risikogruppen zu den Haupt-Leidtragenden der Pandemie, insbesondere durch die massive Einschränkung der Kontakte zu Gleichaltrigen“, schreibt etwa das Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz der taz. Und: „Ein Risiko für nachhaltige psychische Beeinträchtigungen liegt in der Gefahr zunehmender häuslicher Gewalt, von der auch Kinder mit langfristigen Auswirkungen betroffen sein können.“
Die taz hatte in einer Umfrage alle 16 Landesministerien gebeten, zum Thema Stellung zu beziehen. Was wissen die Behörden über gesundheitliche Schäden bei Kindern und Jugendlichen, die wegen der Coronakrise nicht oder nur eingeschränkt Kita und Schulen besuchen konnten? Bis Montag antworteten 12 Ministerien, darunter die Behörden aus den bevölkerungsreichen und von Corona stärker betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.
Zwar betonen alle Ministerien, dass belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse aus Zeitgründen noch nicht vorliegen können. Auch dürften sich Schäden künftig aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren kaum eindeutig quantifizieren lassen, schränken die Ministerien ein. Dennoch betonen die zwölf Ministerien in ihren Antworten an die taz uneingeschränkt sowohl Besorgnis als auch ihr Bemühen, die Situation für Kinder zu verbessern.
Können Kinder die Rückstände überhaupt aufholen?
So heißt es aus dem baden-württembergischen Sozial- und Gesundheitsministerium: „Viele Kinder hatten und haben während der Schließzeiten wenig Bewegungsmöglichkeiten und einen Mangel an sozialen Kontakten. Für die Kleinsten besteht zudem die Gefahr, dass Entwicklungsdefizite entstehen oder sich verstärken können. Sprachtherapie oder besondere Angebote auch für Kinder mit speziellem Förderbedarf sind zum Beispiel nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.“ Um die Defizite auszugleichen, plant das Kultusministerium in Baden-Württemberg für die Sommerferien unter anderem „freiwillige Angebote“ für Schülerinnen und Schüler, um „Stoff aufzuholen und Lerninhalte zu wiederholen“.
Wie erfolgreich solche Programme seien und ob Kinder so Lernrückstände überhaupt aufholen könnten, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden, heißt es aus Sachsen-Anhalt. Dort durften Kinder in den zweiwöchigen Pfingstferien an „freiwilligen Unterrichtsangeboten“ teilnehmen. Das Ministerium räumt ein: „Trotz aller Bemühungen in den letzten Wochen, durch Distanzlernen Unterricht möglich zu machen und dem Bildungsauftrag zu entsprechen, sind in der Folge bei Schülerinnen und Schülern Lerndefizite entstanden.“
Sommerkurse und so genannte „Lernbrücken“ für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler plant nach eigenen Angaben auch das Land Berlin. Die dortige Senatsverwaltung für Gesundheit geht unterdessen von „psychischen Belastungen“ für Kinder und Jugendliche aus, „wobei diese nicht unbedingt im Zusammenhang mit den Kita- und Schulschließungen stehen müssen.“ Viele Familien hätten die Zeit des Lockdowns als „belastend und mit hoher finanzieller Unsicherheit“ erlebt. „Das wirkt sich auch auf die Kinder aus“, schreibt die Senatsgesundheitsverwaltung.
Bayern verweist „mit Blick auf die möglichen psychosozialen Folgen der Situation“ auf zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder wie Eltern auch „bei Erfahrung von oder bei Erhalt von Hinweisen hinsichtlich häuslicher oder sexueller Gewalt“.
Um die für Kinder schwer erträgliche Situation zu beenden, empfehlen alle zwölf Landesgesundheitsministerien, möglichst bald zum Präsenzbetrieb an Kitas und Schulen zurück zu kehren.
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