Kinder fragen, die taz antwortet: Wie kann man ein Fass kicken?
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie zurzeit beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese kommt von Henri, fünf Jahre.
„Haben Sie schon mal ein Fass gekickt?“ Winzerin Edith Keßler ist etwas überrascht, als sie am Telefon diese Frage hört. Dabei hat sie in ihrem Leben schon sehr viel mit Fässern zu tun gehabt. Bereits ihre Großeltern bauten in der Gegend südlich von Mainz Wein an, 1989 übernahm Keßler dann mit ihrem Mann den Betrieb. Hat sie mal gegen ein Fass getreten, und sei es aus Wut?
„Nee, da tut einem ja der Fuß weh“, sagt Edith Keßler. Ein Fass könne man nicht kicken, weil es zu schwer sei. „Man muss es umkippen, dann kann man es rollen.“ Ihr Enkel kicke auch gerne. Aber selbst umgekippt eigne sich ein Fass nicht als Fußballersatz. „Das Fass ist bauchig, es würde eiern.“
Ihr Mann Norbert Keßler ist an diesem Dienstagvormittag gerade in den Reben, am Mittag geht auch er ans Telefon. Die kleinsten Barriquefässer aus Eichenholz, die in ihrem Keller lagerten, wögen leer und trocken rund 50 Kilo, sagt er. Gefüllt kommen sie auf knapp 300 Kilo. Auch er ist überzeugt: „Wenn man die kickt, ist der Schaden am Fuß größer als am Fass.“
Aber es muss ja nicht unbedingt ein Weinfass sein. Ein Bierfass etwa wäre einfacher zu bewegen. Und tatsächlich hat sich in einem Dorf im Harzvorland Sachsen-Anhalts eine entsprechende Tradition entwickelt. Seit 1984 wird jeden Frühsommer – wenn nicht gerade Corona ist – unter großen Mühen und Applaus ein altes DDR-Bierfass aus Aluminium von Hoym nach Badeborn gerollt, mehr als fünf Kilometer weit. „Wo die Strecke uneben ist, macht man das mit den Händen, ansonsten mit den Füßen“, sagt Frank Damm, Vorsitzender des Fassrollvereins Badeborn. „Man stößt das Fass mit der flachen Sohle an.“
Das Fass ist nicht mit Bier, sondern mit Wasser gefüllt. „Sonst würde es explodieren.“ Immer mal wieder lande es auch in der Böschung, erzählt Damm. Dann sei nur wichtig, dass dort keine Zuschauer stehen. Gefüllt wiegt das Fass rund 60 Kilogramm. Wer es rollen will, müsse sich vorher von einem Arzt durchchecken lassen, erzählt Damm. „Die sind fix und fertig, wenn sie ankommen.“ Der Rekord liege bei 44 Minuten.
Frank Damm sagt, Henri sei herzlich eingeladen, beim nächsten Fassrollen in Badeborn zuzuschauen. Ob er das Fass dann kicken darf? „Das kriegen wir hin.“ Und auch die Winzerfamilie Keßler lädt Henri auf einen Traubensaft ein, wenn er mal in Rheinland-Pfalz sein sollte. Er dürfe die Fässer im Keller gerne ansehen, sagt Norbert Keßler. Er empfiehlt ihm allerdings, dagegen zu klopfen, statt zu kicken. „Der Knirps soll sich ja nicht verletzen.“
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