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Kinder fragen, die taz antwortetWarum verdienen die so wenig?

Die achtjährige Mathilda möchte wissen, warum Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten, oft so wenig Geld verdienen.

Demonstration am „Tag der Pflege“ vor dem Bundesministerium für Gesundheit am 12. Mai Foto: Christian Mang

Anfang November wollten wir von Kindern wissen, welche Fragen ihnen zurzeit unter den Nägeln brennen. Manche Anliegen waren fast philosophisch, andere ganz konkret. Hier beantworten wir jede Woche eine ihrer Fragen.

Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, dass während des ersten Lockdowns viele auf ihren Balkonen standen und klatschten? Sie wollten den Pflegekräften und Ver­käu­fer:innen ihre Dankbarkeit zeigen, weil die trotz ­Infektionsgefahr dafür sorgten, dass die Welt weiterlief. Doch diese Geste kam nicht bei allen gut an. Statt Applaus würden sie lieber mehr Geld bekommen, sagten die Betroffenen.

Und mit einem Mal wurde unübersehbar, wie ungerecht der Lohn verteilt ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die achtjährige ­Ma­thilda darüber nachdenkt, warum in manchen Berufen so wenig bezahlt wird, obwohl die besonders herausfordernd sind – und das nicht nur zur Coronazeit.

taz am wochenende

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Ein Anruf bei Simon Junker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Er beantwortet die Frage mit einem Beispiel: „Stellen wir uns mal einen Bauleiter vor“, sagt er. „Der ist planerisch so geschickt, dass er ein Haus nicht in 50, sondern in 40 Tagen errichten kann.“ Damit erspart er dem Bauherrn erhebliche Kosten und den Bauarbeitern jede Menge Arbeit. Das heißt in der Ökonomie­sprache, dass der Bauleiter besonders produktiv ist, und dafür bekommt er einen hohen Lohn. Die Pflegekraft kann dagegen höchstens beeinflussen, wie schnell sie arbeitet und ob sie an einem Tag 20 oder 25 Patient:innen versorgt, und kann deshalb nur eine viel begrenztere Menge an Arbeitskraft und Geld einsparen als der Bauleiter.

Hinzu kommt, dass die Arbeit einer Pflegekraft mehr Menschen machen können als die Arbeit eines Bauleiters, der für seinen Job ein unternehmerisches Talent benötigt. Deshalb gibt es auch mehr Pflegekräfte als Bauleiter, was sich wiederum auf den Lohn auswirkt.

Aber kann man gar nichts gegen diese Lohnungerechtigkeit tun? „Doch“, sagt Malte Lübker von der Hans-Böckler-Stiftung. „Krankenpfleger und Verkäuferinnen können sich mit anderen Menschen ihres Berufszweigs zusammenschließen und gemeinsam für mehr Geld kämpfen. Dafür gibt es Gewerkschaften, in denen jeder Mitglied werden kann. Die gute Nachricht ist, dass der gemeinsame Kampf auch klappt, wie wir gerade in der Altenpflege gesehen haben.“

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3 Kommentare

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  • Dieser Text ist ein Beispiel für die Respektlosigkeit und Arroganz, mit der auf helfende Berufe teils hinabgesehen wird. Er vermittelt in meinen Augen, dass für helfende Berufe keine besonderen Talente notwendig wären. Neben den fachlichen Ausbildungen/Studienabschlüssen benötigen Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten, enorme soft skills, die in anderen Berufen nicht in der Form zur Anforderung werden. Nicht umsonst hören Pflegende/Sozialarbeiter*innen/Erzieher*innen u.ä. ständig den Satz: "deinen Job könnte ich nicht machen."



    Und der Hinweis, dass Gewerkschaften eine Lösung für die Ungleichbehandlung wären wirkt grotesk in Anbetracht der Tatsache, dass die Tarifrunde von ver.di zur weiteren Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes im Jahr 2020 vorerst verschoben und für das Jahr 2021 GESTOPPT wurde. Das gerade zu einer Zeit, in der die Relevanz von Sozial-/medizinisch-/helfenden Berufen für die Gesellschaft immer wieder hervorgehoben wird. Bedeutet: viel leere politische Worthülsen, keine echte Wertschätzung oder finanzielle Verbesserung für helfende Berufe - sogar noch schlimmer: die Verhandlungen sind komplett gestoppt.



    Liebe Mathilda, die wahre Antwort wäre: weil helfende Berufe kein offensichtliches Geld einbringen und weil sie keine mächtige Lobby haben.

  • Folgende Annahmen sind nicht nur falsch, sondern respektlos:



    - Eine Bauleiter*in braucht Talent, ein Mensch in der Pflege.



    - Mehr Menschen können in der Pflege arbeiten, als die Arbeit einer Bauleiter*in machen.



    - Eine Person in der Pflege könne nicht selbstständig arbeiten, produktiv sein oder wirtschaftlich arbeiten.



    Und so ein Artikel in der Taz. Warum das Image der Pflege schlecht ist und sich kein Nachwuchs für den Beruf finden lässt, sollte sich nach solch einem Artikel niemand mehr fragen.

  • Wenn man die Überschrift liest könnte man meinen, dass Mathilda fragt warum die Mitarbeiter der taz so wenig verdienen!

    Das fragt sie zwar nicht, aber die Frage wäre bestimmt auch berechtigt!