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Kiel verpasst Bundesliga-AufstiegHolstein geht die Puste aus

Die Relegation zur Fußball-Bundesliga verliert Holstein Kiel nach einem 1:5 gegen Köln. Nach Quarantäne und 11 Spielen in 34 Tagen ging nichts mehr.

Frustrierte Kieler Fans wärmten ihr Herz an Bengalos Foto: Georg Wendt/dpa

Kiel taz | Game over! Zweitligist Holstein Kiel erlebte am Sonnabend mit dem 1:5 im Relegationsrückspiel gegen den 1. FC Köln kurz vor dem Ziel der lange wundersamen Fußballreise ins Traumland Bundesliga eine brutale Bruchlandung – und steht nun vor einer ungewissen Zukunft.

Nach dem 1:0-Erfolg im Hinspiel am Rhein versemmelten die Störche nach einer sensationellen Saison mit magischen Momenten wie dem Pokaltriumph gegen den FC Bayern auch ihren dritten Aufstiegsmatchball. Im elften Spiel binnen 34 Tagen als Folge von insgesamt 28 Tagen Teamquarantäne fehlten gegen starke Kölner Qualität und Kraft in erschreckendem Maße. Statt des historischen Erfolges setzte es die höchste Niederlage in der Geschichte der Relegation.

Das Gros der rund 2.350 zugelassenen Zuschauer im Holsteinstadion tröstete seine gedemütigten Helden noch minutenlang nach dem Schlusspfiff mit stehenden Ovationen. Bei den Protagonisten herrschte dagegen die komplette Leere. Der völlig demoralisierte Kapitän Hauke Wahl weinte hemmungslos auf dem Rasen. Torjäger Janni Serra musste seinen WG-Kumpel Finn Porath beim Gang in die Kabine stützen. Es hatte zum düsteren Kieler Bild an diesem sonnigen Abend gepasst, dass der unverzichtbare Serra ausgerechnet am Tag der Entscheidung wegen einer Oberschenkelzerrung ausgefallen war.

Der 23-jährige Mittelstürmer – künftig mit Bielefeld in der Ersten Liga – wird Kiel verlassen. Gleiches gilt für den südkoreanischen Nationalspieler Jae-Sung Lee, Rechtsverteidiger Jannik Dehm und die Kölner Mittelfeld-Leihkraft Niklas Hauptmann.

Erosion des Kaders droht

In welchem Maße die Verantwortlichen der KSV Holstein bereit sind, Geld für adäquaten Ersatz auf den Tisch zu blättern, bleibt abzuwarten. „Das Schließen dieser Lücken ist eine anspruchsvolle Aufgabe, sportlich wie wirtschaftlich“, sagt Störche-Sportchef Uwe Stöver. Möglich, dass der Spar-Etat dieser Spielzeit von rund 11,3 Millionen Euro weiter abgespeckt wird.

Auch deshalb stuft Stöver die kommende Serie in der stärksten Zweiten Liga aller Zeiten mit Teams wie Werder Bremen und Schalke 04 als „sehr gefährlich“ ein: „Das wird eine große Herausforderung. Aber wir sind überzeugt davon, dass wir auch in der kommenden Saison eine schlagkräftige, konkurrenzfähige Mannschaft im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten beisammen haben werden.“

Ein neuer Angriff auf Liga eins? Eher unwahrscheinlich. Eine mit Blick auf die Abstiegsränge sorgenfreie Saison wäre – Stand heute – schon als Erfolg zu werten. 23 Akteure stehen mindestens noch ein Jahr unter Vertrag, 13 davon sogar noch bis 2023 oder 2024. Doch viele von ihnen, wie beispielsweise der 34-jährige Kiel-Heimkehrer Fin Bartels, haben in den zurückliegenden Monaten am kaum wiederholbaren Limit gespielt.

Begehrter Trainer

Das größte Fragezeichen steht allerdings hinter Ole Werner. Der mit 33 Jahren jüngste Cheftrainer im deutschen Profifußball vermied am Sonnabend ein eindeutiges Bekenntnis zur Erfüllung seines noch zwölf Monate laufenden Engagements. „Wir werden uns in ein, zwei Tagen zusammensetzen. Und dann schauen, was der Verein in der neuen Saison vorhat – und was ich vorhabe“, sagte Werner in der Stunde der ultimativen Frustration.

Werner hat seit seiner Beförderung zum obersten Trainer im Klub im September 2019 unter schwierigsten Rahmenbedingungen fast das sportliche Optimum erzielt. Ohne üppige Investitionen in den Kader droht nun ein gravierender sportlicher Rückschritt.

Bei Werder Bremen soll der „Kieler Jung“ derweil neben dem Ex-Störche-Coach Markus Anfang (aktuell Darmstadt 98) ganz oben auf der Wunschliste der Nachfolger für den entlassenen Florian Kohfeldt stehen. „Fakt ist, dass Ole Werner einen bestehenden Arbeitsvertrag bis Juni 2022 hat. Die gegenseitige Wertschätzung ist sehr groß. Daher sind wir eher interessiert, den Vertrag zu verlängern, als ihn abzugeben“, so Stöver. Ein berechtigtes Lob in XXL-Format, das zumindest die mögliche Ablösesumme in die Höhe treibt. Die Kieler Wochen bis zum Trainingsstart am 21. Juni garantieren Spannung.

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