Kidnapping-Prozess in Berlin: Mitentführer oder nur Handlanger?
Der Fall der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmannes wird nun verhandelt. Der Angeklagte spielte aber nur eine Nebenrolle.
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Der vietnamesische Geheimdienst hatte Trinh Xuan Thanh im Juli 2017 aus Berlin nach Hanoi entführt. Dort wurde er im Januar wegen zwei Wirtschaftsvergehen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
Dem nun in Berlin angeklagten Long N. H. sei der Gesamtplan der Tat bekannt gewesen, sagte Bundesanwalt Bernd Steudl in Berlin. „Er wusste, dass das Opfer gekidnappt und seiner Freiheit beraubt werden sollte.“ Die Bundesanwaltschaft klagt Long N. H. daher wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Beteiligung an erpresserischem Menschenraub an. Der Anklageschrift zufolge spielte Long N. H. im Entführungsfall aber nur eine Nebenrolle. Die anderen Entführer, die sich rechtzeitig nach Hanoi abgesetzt hatten, ließen ihn in Prag zurück, wo er zuletzt gewohnt hatte.
Dass er nicht bloßer Handlanger war, gehe jedoch daraus hervor, dass in seinem Handy die Nummer des Geheimdienstgenerals als Kontakt eingespeichert gewesen sei, erläuterte Nebenklageanwältin Petra Schlagenhauf, die Trinh Xuan Thanh vertritt, der taz. Long N. H. habe außerdem wenige Tage nach der Tat an einem Treffen mit Vietnams oberstem Polizeichef, dem stellvertretenden Geheimdienstchef und weiteren Mitentführern teilgenommen.
Verteidiger fordert Freispruch
Long N. H.s Verteidiger Stephan Bonell argumentiert dagegen, dass dieser nicht eingeweiht gewesen sei. „Mein Mandant hat lediglich aus persönlicher Verbundenheit heraus für seinen Onkel Autos angemietet und nach Berlin gefahren.“ Long N. H. sei nicht bekannt gewesen, was damit geschehen sollte. „Er ist darum freizusprechen.“
Der angesprochene Onkel war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft der Vertreter des vietnamesischen Geheimdienstes in der Tschechischen Republik und wesentlich an der Entführung beteiligt.
Verteidiger Bonell macht der Bundesregierung Vorwürfe. Vietnam habe Deutschland schon im Herbst 2016 über den Auslieferungswunsch des später entführten Trinh Xuan Thanh informiert. Vietnams Premierminister habe die Bundeskanzlerin dazu am Rande des G20-Gipfels persönlich angesprochen. „Hätte die Bundesregierung anders reagiert“, so seine Schlussfolgerung, „wäre die Entführung gar nicht nötig gewesen.“
Thanhs Anwältin Schlagenhauf fordert von Vietnam eine Rückkehr ihres Mandanten nach Deutschland.
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