Khashoggi-Verlobte in Italien: Gegen die Gleichgültigkeit
Vor über einem Jahr wurde der saudische Journalist Jamal Khashoggi ermordet. Hatice Cengiz kämpft in Rom gegen das internationale Vergessen.
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Cengiz ist am Dienstag auf Einladung des Senats nach Rom gekommen, um vor dem Menschenrechtsausschuss der Zweiten Kammer des italienischen Parlaments und dann vor der Auslandspresse den fast schon verzweifelten Versuch zu unternehmen, wieder etwas internationale Aufmerksamkeit auf den Fall Khashoggi zu lenken.
Die internationale Gleichgültigkeit „bricht mir das Herz“, sagt sie. Das saudische Regime habe einen Mord organisiert und trotzdem trägt der italienische Fußballverband am Sonntag ausgerechnet in Riad seinen Supercup zwischen Lazio Rom und Juventus Turin aus und trotzdem soll im November 2020 der nächste G20-Gipfel in Saudi-Arabien stattfinden.
Mit sarkastischem Unterton schildert Cengiz die verschiedenen Versionen des saudischen Regimes zu dem Mord. Erst hatte es geheißen, der regimekritische saudische Journalist habe das Konsulat unbehelligt verlassen. Dann, als der Mord nicht mehr zu leugnen war, hieß es, die Situation sei entgleist, Khashoggi im Handgemenge getötet worden.
Aus dem Ruder gelaufen?
Und schließlich verglich die saudische Regierung den Vorfall mit den US-Missetaten im irakischen Foltergefängnis Abu Ghraib: Es habe sich um die „Schurkenaktion“ einiger aus dem Ruder gelaufener Beamter gehandelt.
Cengiz verzieht ihr Gesicht. Schurkentat? Ein Land, in dem kein einziges Freitagsgebet ohne staatliche Absegnung gehalten werden könne, wolle weismachen, da seien 15 Geheimdienstler mit Regierungsmaschinen nach Istanbul eingeflogen worden, hätten das Konsulat betreten, mal eben Khashoggi ermordet, seien dann wieder abgereist – und kein Vorgesetzter habe das angeordnet?
Zum Ablenkungsmanöver gehört für Cengiz auch, dass elf Geheimdienstler in Saudi-Arabien vor Gericht gestellt und fünf von ihnen im Eilverfahren zu Tode verurteilt wurden. Stattdessen verlangt sie eine internationale Untersuchungskommission, die die Verantwortlichkeiten bis hinauf zum mächtigen Kronprinzen Mohammed bin Salman klärt.
Doch man sieht ihr an, dass sie sich kaum Hoffnungen macht. Nur Deutschland, das seine Waffenexporte nach Saudi-Arabien zunächst offiziell unterbrach, fällt ihr als positive Ausnahme ein. Und fast schon resigniert klingt Cengiz, als sie auf den kommenden G20-Gipfel angesprochen wird. Nein, sie wisse noch nicht, ob sie einen Boykott des Treffens in Riad fordern werde, erklärt sie – so als sei sie von der Sinnlosigkeit eines solchen Vorstoßes überzeugt.
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