Keine Löwen mehr in der Manege: Zahmer Zirkus
Gerade wird in Hannover ein Wildtierverbot beschlossen, eine bundesweite Regelung gibt es allerdings nicht, darum werden diese Verbote immer wieder gekippt.
HANNOVER taz | Gehört ein Tiger in die Manege? Über diese Frage streiten sich Tierschützer und Zirkusfans schon lange. Schon zum dritten Mal wurde dieses Jahr im Bundesrat beschlossen, dass man Wildtiere im Zirkus verbieten sollte. Doch die Bundesregierung sperrt sich. Als Wildtiere bezeichnet man in der Regel alle Tiere, die nicht domestiziert wurden. Immer mehr Kommunen nehmen die Sache nun selbst in die Hand, darunter Osnabrück, Hildesheim und Hameln. Sie hoffen, dadurch den Druck auf den Bund zu erhöhen. Gerade wird ein Wildtierverbot in Hannover beschlossen.
Jens Menge, finanzpolitischer Sprecher im Stadtrat von Hannover, ist optimistisch. Der Antrag, den seine SPD-Fraktion zusammen mit den Grünen eingebracht hat, liegt gerade in den Ausschüssen, in zweien wurde er bereits angenommen. „Ich gehe davon aus, dass bei der Ratsversammlung Ende des Monats die Mehrheiten ähnlich ausfallen“, sagt er. Wichtig ist ihm, zu betonen, dass an den Antrag auch eine Forderung nach einer bundesweiten Regelung gekoppelt ist – „damit wir nicht mehr auf ein Verbot als Kommune angewiesen sind“, sagt er.
Denn so ein kommunales Verbot steht juristisch auf wackligen Füßen. Denn es gibt für jede kommunale Fläche eine Widmung, also eine Liste von Situationen, für die die Fläche verwendet werden darf. Und diese Widmung darf die Kommune auch einschränken wie sie möchte, das hat ein Münchener Verwaltungsgericht im Frühjahr bestätigt.
Die Zirkusse argumentieren aber, dass ein Wildtierverbot einem Berufsverbot für Dompteure gleichkäme – und mit dem Recht auf freie Berufsausübung nicht vereinbar sei. Viele Gerichte sehen das ähnlich, ein kommunales Wildtierverbot ist also durchaus anfechtbar. In Darmstadt und Chemnitz etwa scheiterten solche Verbote, nachdem betroffene Zirkusse dagegen geklagt hatten. In Bremen gab es 2011 einen Beschluss der Bürgerschaft, Zirkusauftritte mit Wildtieren zu verbieten. Die Verwaltung hat diesen Beschluss aber nie umgesetzt.
Linda Neddermann, bis 2015 tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in Bremen, hat den Antrag damals gestellt. „Politisch gibt es ein Auftrittsverbot in Bremen“, sagt sie. „Aber die Verwaltung hat sich darüber hinweggesetzt.“ Dort habe man das Verbot für juristisch oder praktisch nicht umsetzbar befunden.
Für SPD-Mann Menge aus Hannover kein Grund, von dem Thema die Finger zu lassen. „Es gibt einige Städte, die in den letzten Monaten damit durchgekommen sind – Hildesheim zum Beispiel. Wir werden die Verwaltung auffordern, sich bei der Umsetzung an diesen Best Practices zu orientieren.“
Bei der Tierschutzorganisation Peta, die Kommunen bei den Verbotsanträgen unterstützt, gibt man dies offen zu: „Die kommunalen Verbote haben für uns stark symbolischen Charakter und sind als Signal an die Bundesregierung zu verstehen“, sagt Peter Höffken, der Peta- Fachreferent für Zirkusse. Sie seien kein Ersatz für ein generelles Verbot, würden den Zirkussen aber schmerzhafte Nadelstiche versetzen.
Dieter Seeger, Zirkus Knie
Da könnte er Recht haben: Für den Zirkus Charles Knie, der zwar im aktuellen Programm weder Wildkatzen noch Elefanten, dafür aber unter anderem Seelöwen und Zebras zeigt, geht es langsam an die Substanz. „Wir haben immer größere Schwierigkeiten, eine Tournee zu planen“, sagt der Tierschutzbeauftragte Dieter Seeger. Das Ausweichen auf private Flächen sei wegen mangelnder Infrastruktur meist unmöglich.
Er ärgert sich über die „Verantwortungslosigkeit“ der Kommunalpolitiker, die sich nie beim Zirkus ein Bild von den Haltebedingungen machten, bevor sie ein Verbot aussprächen. Auch für ihn wäre in diesem Sinne eine bundesweite Regelung besser: „Da würde man weitsichtiger planen und vernünftige Übergangsfristen finden“, sagt Seeger. Sicher ist er aber auch: „Ohne die Tiere können wir dichtmachen.“
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