Keine Linienflüge nach Hessisch-Sibirien: Kassel-Calden macht Winterschlaf
Der Regional-Flughafen bei Kassel bleibt bis zum Frühjahr von Linienflügen ungenutzt. Billig-Airlines können die Start- und Landebahnen nicht nutzen.
BERLIN taz | Wirklich voll war es auf den Start- und Landebahnen in Kassel-Calden nie. Nur ein einzelnes Linienflugzeug hob an den meisten Tagen vom nordhessischen Regionalflughafen ab, der am 4. April nach einem umstrittenen Ausbau wieder eröffnet worden war. Doch selbst damit ist es bald vorbei: Wie der Abflugplan zeigt, enden alle Linienflüge im Lauf des Oktobers.
Und über den Winter sind keine neuen zu erwarten. Eine geplante zusätzliche Verbindung nach Ägypten entfällt, eine neue Verbindung auf die Kanaren stehe auf der Kippe, sagte Flughafenchefin Anna Maria Muller auf „hr online“. Die nächsten Linienflüge sind für April vorgesehen.
Damit sehen sich die Kritiker des Ausbaus bestätigt. Der Neubau von Landebahn und Flughafengebäude hatte rund 270 Millionen Euro gekostet, die größtenteils das Land Hessen zahlte. Frühere Gutachten prognostizierten ein Potenzial von 640.000 Passagieren im Jahr. Muller hatte für das erste Jahr 100.000 Fluggäste angepeilt. Tatsächlich flogen in den ersten sechs Monaten 37.000 Menschen.
Dabei klebt auch Pech an dem Projekt. Eine Fluggesellschaft, die Muller bei ihrem Amtsantritt vor einem Jahr als Kundin präsentiert hatte, ging kurz darauf insolvent, im Internet wurden Flüge eines polnischen Unternehmens verkauft, das gar nichts von Starts in Calden wusste. Verkäufer in Reisebüros waren irritiert und rieten vorsichtshalber gleich von Flügen von dem Regionalflughafen ab.
Abschluss mit einem Defizit von 6 Millionen Euro
Die prinzipiell interessierten Billigflieger können den Airport nicht nutzen, weil er mit Genehmigung der EU aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Weitere Beihilfen wie die hohen Rabatte auf die Flughafengebühren, die das Geschäftsmodell von Ryanair und Co sind, wären unzulässig.
Für 2013 erwartet der Flughafen nun ein Defizit von mindestens 6 Millionen Euro. Mitarbeiter sollen nach Angaben der Gesellschafter, zu denen außer dem Land die Stadt und der Landkreis Kassel sowie die Gemeinde Calden gehören, nicht entlassen werden. Sie sollen laut Muller vorerst vor allem private Geschäftsflugzeuge abfertigen, die den bei weitem größten Anteil an den 14.000 Flugbewegungen insgesamt in diesem Jahr hatten – und hoffen, dass Calden bei Schneechaos auf anderen Airports als Ausweichflughafen gebraucht wird. (MKR, BW)
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