Keine Einigung bei Gipfel erwartet: Großbritannien verzögert Brexit-Deal
Alles wieder festgefahren beim Brexit: Die britische Regierung hat bei den Gesprächen die Bremse gezogen – um eine Revolte gegen May abzuwenden.
Die technischen Brexit-Gespräche in Brüssel waren am Sonntagabend ausgesetzt worden, nachdem der britische Brexit-Minister Dominic Raab im Auftrag der Premierministerin Theresa May einen ausgehandelten Vorschlag wieder kippte. Auslöser war die Idee, dass der sogenannte „Backstop“ – die Rückfallposition für die zukünftigen Handelsbeziehungen im Fall des Ausbleibens einer Einigung – einen zeitlich unbegrenzten Verbleib ganz Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU umfassen soll.
Die EU wollte ursprünglich Nordirland unbefristet in der EU-Zollunion belassen und dort eine Zollgrenze zum Rest Großbritanniens einführen, um eine Zollgrenze zur Republik Irland zu vermeiden. Dies lehnte die britische Regierung ab und schlug zuletzt stattdessen vor, ganz Großbritannien in der Zollunion zu belassen – aber nur bis Ende 2021, egal ob es danach eine andere Vereinbarung gibt oder nicht. Daraus wurde am Ende die unbefristete Zollunion für ganz Großbritannien, bis London auf höchster Ebene intervenierte.
Hoffen auf „etwas Kreatives“
Am Montag bekräftigte May vor dem britischen Parlament, eine Zollunion mit der EU nach dem Brexit, die Großbritannien nicht unilateral beenden könne, sei nicht zustimmungsfähig. Ob sie weiter auf einer Befristung bis 2021 besteht, ließ sie offen. Auf einer Brexit-Sondersitzung des Kabinetts am Dienstag wurden keine Beschlüsse gefällt.
In Europa ist kein Entgegenkommen an May in Sicht. EU-Ratsvorsitzender Donald Tusk sagte am Dienstagnachmittag, er hoffe, dass May am Mittwoch „etwas ausreichend Kreatives vorlegt“. In London wittern aber die Brexit-Hardliner ihre Chance. Ein Drittel der Kabinettsmitglieder gelten als Gegner weiterer Zugeständnisse an die EU. Sie trafen sich am Montagabend im Büro der Brexit-Hardlinerin und Tory-Fraktionsvorsitzenden Andrea Leadsom zum Pizzaessen, um ihre Position abzustimmen.
Berichten zufolge wollen sie im Falle eines Einknickens von May mit kollektiven Rücktritten eine Regierungskrise provozieren, die May zum Abtritt zugunsten des ehemaligen Brexit-Ministers David Davis als Premier zwingen soll. Dessen ehemaliger Stabschef Stewart Jackson, ein einflussreicher Brexit-Kommentator, schrieb am Dienstagnachmittag, May sei nun „am Ende des Weges“ angelangt.
Wenn der EU-Gipfel ohne Annäherung zum Brexit auseinandergeht, folgt im November ein Sondergipfel. Nichts deutet aber derzeit auf eine Annäherung bis dann hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben