: Kein bundesweiter Zugriff auf Passfotos
Die große Koalition entschärft erneut das Passgesetz, kurz bevor es im Bundestag verabschiedet wird. Passbilder dürfen per Mausklick nicht zentral abgerufen werden. Nur die örtliche Polizei darf in Eilfällen online auf die Fotoregister zugreifen
AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH
Bei der Nutzung von biometrischen Passdaten hat sich die SPD weitgehend durchgesetzt. Sie konnte nicht nur eine Speicherung der Fingerabdrücke aller Bürger bei den Passbehörden verhindern, sondern auch den bundesweiten Online-Zugriff der Polizei auf die Passfotos der Bürger abwenden.
Die Novellierung des Passgesetzes wird seit Januar im Bundestag diskutiert. Sie wurde erforderlich durch die Einführung biometrischer Reisepässe. Seit Ende 2005 enthalten die deutschen Reisepässe ein digitalisiertes Passbild, das auf einem Chip gespeichert ist. Im November 2007 wird noch ein digitalisierter Fingerabdruck hinzukommen. Beide Maßnahmen sind auf deutschen Wunsch EU-einheitlich geregelt und müssen umgesetzt werden. Sie sollen sicherstellen, dass niemand den Pass einer ähnlich aussehenden Person vorzeigt.
Für diesen Zweck genügt es, die biometrischen Merkmale auf dem Pass zu speichern. Im Passgesetz war der Aufbau einer zentralen „bundesweiten“ Foto- und Finderabdruckdatei aller Bürger ausgeschlossen worden. Doch Exinnenminister Otto Schily (SPD) ergänzte 2005, dass auch eine dezentrale Speicherung bei den Passbehörden nicht vorgesehen sei. Gemeint hatte er damit aber nur die Fingerabdrücke. Die Passbilder der Bürger werden schon seit Jahrzehnten im Passregister aufbewahrt, unter anderem zu polizeilichen Zwecken. Insofern lag hier stets ein so genannter „Generalverdacht“ gegen alle Bürger vor.
Durch das neue Passgesetz sollte der Polizei nun ein Online-Zugriff auf alle digitalisierten Passbilder eingeräumt werden, zunächst nur zur Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten, später auf Wunsch des Bundesrats auch für Straftaten. So sollte die Polizei zum Beispiel schnell das Passbild mit der Aufnahme einer Radarkamera vergleichen können. Dem hatte auch Justizministerin Zypries (SPD) zugestimmt.
Erst nach der taz-Berichterstattung über diese neuen Polizeibefugnisse ruderte die SPD zurück. Sie setzte durch, dass der polizeiliche Online-Zugriff nur in Eilfällen und wenn die Passbehörde nicht besetzt ist, also abends und am Wochenende, erfolgen kann. Peter Schaar, dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, genügte das aber nicht. Er kritisierte, dass so zumindest eine bundesweit nutzbare Infrastruktur zum polizeilichen Online-Zugriff auf die Passfotos entsteht. Er befürchtete, dass der Polizei früher oder später auch mit Hilfe von Gesichtserkennungs-Software der Abgleich aller gespeicherten Passfotos mit einem Fahndungsbild erlaubt wird und es zu vielen falschen Beschuldigungen kommt.
Am Donnerstag hat die große Koalition deshalb noch einmal nachgebessert. Den Online-Zugriff hat auch im Eilfall nur die für den Landkreis zuständige Polizeidienststelle. „Wir wollen, dass es keine Zusammenschaltung der dezentralen Pass- und Personalausweisregister gibt“, sagte der CDU-Verhandlungsführer Clemens Binninger zur taz. Wenn die Freiburger Polizei am Wochenende ein Passbild aus Kiel benötige, dann könne sie die Polizei in Kiel bitten, es zu besorgen, erklärte der ehemalige Polizist Binninger.
Bei den Fingerabdrücken bleibt Schilys Versprechen, dass diese nur im Chip des Passes gespeichert werden, bestehen. Die CDU habe eine Speicherung bei den Behörden durchsetzen wollen, weil dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspreche und weil der Staat sich nicht künstlich dumm halten dürfe, so Binninger. Doch die SPD trug das nicht mit. Der Gesetzentwurf wird voraussichtlich am 25. Mai im Bundestag beschlossen.
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