Kein Panini-Album zur EM 2024: Ciao, geliebter Kommerz
Zur nächsten Fußball-EM der Männer wird es kein Panini-Album mehr geben. Es endet eine Ära, in der Klebebildchen zu Alltagsgeschichte wurden.
Mein erstes Album hatte ich zur Männer-Bundesligasaison 2002/03. Das weiß ich so genau, weil ich mich damals in Fußball verliebte, und wer mit Fußball anfing, fing mit Panini an. Viele hörten dann auch recht schnell wieder auf mit den Klebebildchen, die man immer elend doppelt oder zehnfach hatte. Ich nicht. Mein letztes Panini-Album hatte ich, glaube ich, zur Männer-WM 2018. Wegen der wohligen Erinnerung und weil halt das, was immer schon geil war, manchmal auch geil bleibt.
Warum der Fußball so eine Symbiose eingegangen ist mit diesen Klebebildern, ist für Außenstehende schwer zu verstehen. An der Praktikabilität kann es jedenfalls nicht liegen: Die Sammelsticker der italienischen Firma Panini, die seit 1961 in Italien, seit 1978 auch in Deutschland verkauft wurden, sind natürlich ein Scam. Weil unsichtbar in Tütchen verpackt, kauft man dieselben Spieler zigmal.
Meine Mama verweigerte sich schnell dieser Form der Abzocke und kaufte mir das Fehlende kurzerhand bei Ebay zusammen. Mir selbst blieb die romantische Überraschung. Zu jedem Weihnachten und Geburtstag bejubelte ich die Hunderten Panini, die die Verwandten abgestumpft-gelangweilt überreichten. Regelkonformes Sammeln hatte aber auch seine Vorzüge: Zwar kriegte man kein einziges Album voll, traf sich dafür aber mit Fremden zum Tausch am Alexanderplatz.
Kommerz wird zur Geschichte
Wahrscheinlich war der Zauber von Panini, wie so oft beim Fußball, die Tatsache, dass der Kommerz zur Geschichte wird. Spieler wie Trifon Iwanow wurden aufgrund ihres Panini-Bilds (Vokuhila und Nasenpflaster) berühmt. Der x-te unbekannte Verteidiger vom KSC oder von Costa Rica, die Verschwörungsmythen um angeblich nicht vorhandene Bilder: „Fußball ist unser Leben“ und Panini ein Teil davon. Meine Schwestern und ich zeichneten aus den Stickern schlechte Porträts, und wenn das Album voll war, wurde gemeinsam über jede einzelne Seite debattiert, wer der attraktivste Spieler war. Jahre später kamen die Alben oft wieder hervor. „Ach, krass, der XY! Was aus dem wohl wurde!“ „Ach, krass, Klub Z! Die sind heute 3. Liga!“ Gelebte Nostalgie.
Nun stellt Panini keine EM-Alben mehr, es übernimmt der US-Konzern Topps. Panini ist längst selbst zur Nostalgie geworden. Und wahrscheinlich ist das genau der Grund, warum Fußballkapitalismus nicht stirbt. Wir lieben Kommerz. Bloß immer den alten.
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