Kein Google Campus in Berlin-Kreuzberg: Google gibt klein bei
Google gibt den Protesten im Kiez nach und verzichtet auf seinen Startup-Campus. Stattdessen sollen Sozialunternehmen dort einziehen.
Die Mitteilung, die Google zusammen mit den Nachnutzern am Mittwoch veröffentlichte, klingt freilich nicht nach einer Niederlage. Googles Konzernsprecher für Startups, Rowan Barnett, sagt dort: „Ziel unseres Engagements in Kreuzberg war es von Anfang an ein Angebot zu schaffen, das der Gemeinschaft zugute kommt und diesem vielfältigen Kiez gerecht wird.“ Eine Kapitulation im Nebel von Marketingsalven.
Statt einer Schmiede für Startups soll das Umspannwerk nun zu einem „Haus für soziales Engagement“ werden. Die Spendenplattform Betterplace und die Sozialgenossenschaft Karuna werden gemeinsam die Organisation des Gebäudes übernehmen und zum Teil selbst in dem Haus arbeiten. Betterplace etwa will eine „Vernetzungsstelle gegen Hatespeech“, Karuna die Redaktion der Straßenzeitung Karuna Kompass, Nachfolgerin des Strassenfegers, dort unterbringen.
Mit der Übergabe des Hauses verpflichtet sich Google die Kosten für Umbau, Ausstattung, Miete und Nebenkosten für fünf Jahre zu tragen. Google-Sprecher Ralf Bremer sagte im Gespräch mit der taz, Google habe gelernt, dass Kreuzberg „nicht der richtige Ort für reinen Startup-Campus“ sei. Bei unzähligen Gesprächen sei der „riesige Bedarf an Flächen für Nonprofit-Organisationen“ deutlich geworden, sowie die „Sorge, dass sich die Umgebung noch schneller verändern und Mieten noch schneller steigen könnten“.
Google bleibt Mieter der Flächen, gibt die Kontrolle aber gänzlich ab. Bremer sagte: „Wir glauben, dass hier etwas entsteht, das über die fünf Jahre Bestand haben wird.“ Es gäbe keine Pläne danach wieder einzusteigen. Eine Umsetzung des Campus-Konzepts anderswo in der Stadt sei nicht geplant.
Proteste mit Wirkung
„Das es in eine so konsequente Richtung geht, ist für uns ein großes Geschenk“, sagt Betterplace-Sprecherin Carolin Silbernagl im Gespräch mit der taz. Sowohl die „sichtbaren Proteste“ als auch die Verzögerungen beim Umbau – ursprünglich sollte der Google Campus im September seine Türen öffnen – hätten die Gespräche mit Google ermöglicht.
Der Konzern sei auf sie zugekommen und habe nach den „Bedarfen im Kiez gefragt“, so Silbernagl. „Wir haben ihnen die Kritik an einem reinen Startup Hub mitgegeben“, so die Sprecherin des ehemaligen Startups, das 2007 ans Netz gegangen ist und seinen Hauptsitz in der Schlesischen Straße hat. Über die zuletzt verhärteten Fronten im Kiez sagt Silbernagl: „Ich hoffe, dass wir mit dieser Übergabe einen Neustart haben in der Auseinandersetzung um das Gebäude.“
Seit Google 2016 seine Pläne angekündigt hatte, in Kreuzberg den weltweit siebten Campus zu eröffnen, schlug ihnen aus der Nachbarschaft Protest entgegen. Mindestens vier Anti-Google-Initiativen waren zuletzt aktiv.
Kritisiert wurde Googles Rolle als Überwachungsmaschinerie, vor allem aber die vermuteten Folgen: Die weiter beschleunigte Aufwertung des Kiezes durch die Ansiedlung immer neuer Startups und der damit verbundene Zuzug von Gutverdienern. In unzähligen Aktionen, Demos und Veranstaltungen wurde Googles Versuch, sich als „guter Nachbar“ zu präsentieren, widersprochen.
Politik ist uneins
Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagte in einer Mitteilung, Google sei „auf die Forderungen von Politik und Nachbarschaft eingegangen“. Er „begrüße diesen Schritt und hoffe, dass andere große und mittlere Unternehmen diesem Beispiel folgen“. Der Fraktionschef der FDP im Abgeordnetenhaus sagte: „Die Umwandlung des geplanten Google-Campus in Kreuzberg in eine Begegnungsstätte ist nicht mehr als schöngeredete Resignation.“ Er nannte den Schritt eine „fatale Botschaft an alle zukünftigen Unternehmen und Investoren“.
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die den Google Campus einst als „willkommene Initiative, die zur blühenden Startup-Szene der Stadt passt“, bezeichnet hatte, sprach nun von „interessanten Plänen“ und der „zunehmenden Bedeutung von sozial und ökologisch orientierten Unternehmen“.
Die neuen Nutzer wollen nun mit der Nachbarschaft ins Gespräch kommen. Dafür soll der Baucontainer gegenüber des Eingangs am Landwehrkanal demnächst zwei mal wöchentlich geöffnet werden. Silbernagel will das Haus, besonders die großzügigen Kellerräumlichkeiten für „soziale Unternehmen, politische und Nachbarschaftsinitiativen“ zur Verfügung stellen. Diese sollen für geringe Gebühren Konferenzräume oder auch ein Tonstudio anmieten können. Sie spricht von einer „Infrastruktur, die sonst nur Unternehmen zur Verfügung steht“. Das Ziel ist die Eröffnung im April.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten